Die Umarmung des Todes - Kirino, N: Umarmung des Todes - Out
beendet, er erhob sich. Lì-huá begleitete ihn zur Tür, wie sie es mit einem Gast tun würde.
Vorsichtshalber erinnerte Satake sie noch einmal: »Und vergessen Sie mir das Blumenwasser nicht, Lì-san!« Beim Anblick ihres unbestimmten Lächelns nahm er sich vor, sich so bald wie möglich nach einer anderen fähigen Mama-san umzusehen. Die Hostessen wählte er grundsätzlich nach Schönheit, Jugend und Anmut aus, das war etwas anderes. Sie waren für ihn nur lebendige
Ware, mit der die Mama-san geschickt zu handeln hatte. Sie musste nichts weiter sein als eine geschäftstüchtige Verkäuferin.
Satake verließ das »Mika« und nahm die Treppe zu seinem anderen Etablissement, das ein Stockwerk höher gelegene »Amusement Parco«, ein Bakkarat-Kasino. Auch dafür hatte er einen Manager engagiert, der nach außen hin die Geschäfte führte; er als Eigentümer ließ sich nur etwa drei Mal die Woche dort sehen.
Vor einem Jahr ungefähr hatte er bemerkt, dass die Mah-Jongg-Höhle auf der Etage über dem »Mika« nicht mehr gut lief, also hatte er die Räume angemietet, um ein Bakkarat-Kasino daraus zu machen, in das die Gäste des »Mika« gehen konnten, wenn der Club schloss. Eine Lizenz nach dem Unterhaltungsgewerbegesetz hatte er nicht eingeholt; es sollte nur ein Versuch sein, ein kleines Zusatzgeschäft, offen für Clubgäste und solche, die durch Mundpropaganda davon erfuhren, doch der Plan ging auf, und das Kasino wurde ein unerwarteter Erfolg.
Zunächst hatte er klein angefangen, mit zwei Mini-Bakkarat-Tischen, doch als sich immer mehr interessierte Gäste einfanden, hatte er eine Reihe fähiger junger Croupiers eingestellt, zusätzlich einen regulären Bakkarat-Tisch aufstellen lassen und den Mindesteinsatz erhöht – der Laden boomte. Anfänglich hatte er das Kasino nur betrieben, nachdem das »Mika« schloss, doch inzwischen war es durchgehend von abends neun bis in die Morgenstunden hinein geöffnet.
Satake rollte das ausgesteckt herabbaumelnde weiße Stromkabel der Leuchtreklame ordentlich auf und polierte den von Fingerabdrücken verschmierten goldenen Türknauf mit seinem Taschentuch. Er kämpfte mit dem Impuls, hineinzugehen und zu inspizieren, wie das Personal den Laden hinterlassen hatte. Sein Herz hing an der kleinen Spielhölle – außerdem war sie eine Goldgrube.
Da klingelte das Handy in dem Necessaire, das unter seinem Arm klemmte.
»O-nii-chan, wo bleibst du denn?! Ich muss doch zum Friseur!«, flötete Anna ihm in ihrem süßen, gebrochenen Japanisch ins Ohr. Sie nannte ihn immer »O-nii-chan«, »mein großer Bruder«, ohne dass ihr das jemand beigebracht hätte. Anna verstand es fabelhaft,
sich bei Männern einzuschmeicheln. Satake betrachtete das als Himmelsgabe und amüsierte sich darüber.
»Ja, warte nur, ich komme sofort.«
Er beschäftigte etwa dreißig Chinesinnen als Hostessen, aber Anna stach sie alle mit ihrer Schönheit und Klugheit aus. Gerade stand alles so günstig, ein reicher Gönner interessierte sich für sie und war kurz davor anzubeißen. Auch bisher hatte Satake immer dafür gesorgt, dass sie die richtigen Kunden bekam. Einen lästigen Habenichts, der ihr nachstieg, konnte er in ihrer Nähe absolut nicht gebrauchen.
Satake durchquerte Kabuki-chō und kehrte zu seinem weißen Mercedes-Benz zurück, den er in der Tiefgarage des Hygeia-Health-Plaza abgestellt hatte. Nach zehnminütiger Fahrt erreichte er Annas Wohnung in Ōkubo. Das Apartmenthaus war neu, aber es hatte keine automatische Schließanlage. Vielleicht sollte er in Anbetracht des Kerls, der sie belästigte, dafür sorgen, dass sie umzog. Mit diesen Gedanken drückte Satake auf den Knopf der Gegensprechanlage neben der Tür zu Annas Wohnung im fünften Stock.
»Ich bin’s, Satake.«
»Es ist offen«, hörte er ihre rau säuselnde Stimme.
Kaum hatte er die Tür aufgedrückt, sprang ihm Annas Zwergpudel kläffend um die Füße; würde man ihm einen Tritt versetzen, er fiele höchstwahrscheinlich auf der Stelle tot um. Offenbar hatte er Satakes Schritte gehört und hinter der Tür schon auf ihn gewartet. Er mochte den Köter nicht, aber Anna liebte ihr Schoßhündchen heiß und innig. Also musste er wohl oder übel nett zu ihm sein. Während er den Pudel mit der Schuhspitze zurückdrängte, rief er nach hinten: »Hey, bist du nicht ein bisschen leichtsinnig?«
»Was heißt ›leicht-sin-nig‹?«, rief Anna zurück.
Satake antwortete nicht, sondern wartete lieber, bis sie erschien, während er den
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