Die Umarmung des Todes - Kirino, N: Umarmung des Todes - Out
als sie ihn wahrnahm, hatte Satake all die Jahre nicht vergessen können. Nach einem kurzen Anflug von Verdruss darüber, dass sie getäuscht worden war, hatte sie ihn herausfordernd angeblitzt, fest entschlossen, es ihm zu zeigen, ihm zu entkommen. Dieser Blick! Als verhöhne sie ihn, obwohl sie doch mit dem Rücken zur Wand stand. Ihre Augen hatten in seinem Inneren etwas in Brand gesetzt. Er würde sie jagen, notfalls bis ans Ende der Welt. Und wenn er sie erst geschnappt hätte, würde er sie erniedrigen und quälen, er würde sie in den Tod treiben. Zuvor hatte er nicht im Entferntesten daran gedacht, sie zu töten, er hatte sie sich nur ein wenig vorknöpfen wollen, um sie einzuschüchtern, aber ihr Blick musste etwas in ihm freigesetzt haben, dessen er sich bis dahin selbst nicht bewusst gewesen war. Anders konnte er sich das nicht erklären.
Er war selbst überrascht, als es ihn mehr und mehr in Erregung versetzte, die auf dem Gehweg fieberhaft vor ihm davonrennende Frau zu jagen. Wäre er ernsthaft gelaufen, so schnell er konnte, er hätte sie sofort eingeholt. Aber das wäre fade gewesen. Er wollte sie noch ein wenig zappeln lassen, sie in Sicherheit wiegen, bevor er zupackte. Umso mehr würde sie sich ärgern, und das machte es wesentlich interessanter. Während er die Passanten rechts und links beiseite stieß und durch die schwüle Abenddämmerung rannte, in der sich kein Lüftchen regte, wurde Satake zunehmend aggressiver. Er meinte geradezu mit den Händen spüren zu können, wie es sich anfühlen würde, wenn er die Frau von hinten an den Haaren packte und zurückriss.
In letzter Verzweiflung rannte die Frau über eine rote Ampel, um den Yasukuni-Boulevard zu überqueren, und vor dem Isetan-Kaufhaus in eine der unterirdischen Ladenpassagen. Wahrscheinlich hatte sie sich ausgerechnet, dass sie Gefahr lief, einem von Satakes vielen Helfershelfern in die Arme zu laufen, solange sie in Kabuki-chō blieb. Doch Satake kannte Shinjuku wie seine Westentasche. Er tat so, als würde er sie entwischen lassen, tauchte
aber sofort in das unterirdische Parkdeck ab, lief, so schnell er konnte, unter dem Oume-Highway durch, bis er auf der anderen Seite in der Ladenpassage ankam. Dann, als die Frau sich sicher war, sie habe ihn abgeschüttelt, und aus der Toilette herauskam, in der sie sich versteckt hatte, packte er von hinten ihren Arm. Nach der Hetzjagd durch die hochsommerlichen Straßen waren ihre nackten Arme nass von Schweiß. Er erinnerte sich an alles noch ganz genau, sogar daran, wie sich das angefühlt hatte. Er erwischte die Frau kalt; sie schrak entsetzt zusammen, machte aber gleich darauf aus ihrem massiven Ärger erneut keinen Hehl:
»Du hast mich reingelegt, du elender Schweinehund!«
Die Stimme der Frau goss Öl auf Satakes brennende Wut. Diese dunkle, heisere, schroffe Stimme!
»Glaub ja nicht, dass du noch mal davonkommst!«
»Versuch’s doch! Versuch alles, was du willst!«
»Ich werd’s dir schon zeigen!«
Satake hielt der Frau, deren Hass immer weiter anschwoll, einen Dolch in die Seite und kämpfte mit dem heftigen Verlangen, hier und jetzt zuzustoßen. Die Dolchspitze ritzte den Stoff des Kleides auf, worauf die Frau scheinbar resigniert verstummte. Auf dem ganzen Weg zu Satakes Wohnung flehte sie nicht ein einziges Mal um ihr Leben. Ihr Arm, den Satake eisern umklammerte, damit sie ihm nicht entwischen konnte, war so dürr, dass man die Umrisse des Knochens fühlen konnte. Auch ihr Gesicht war hager, die Wangen fleischlos, nur die stechenden Augen glühten aus tiefstem Grund wie die eines wilden Tieres. Diese Frau könnte er lieben. Wenn er an ihren heftigen Widerstand dachte, verspürte er sogar Freude. Satake, der niemals zuvor für eine Frau so empfunden hatte, kam aus dem Staunen über sich selbst gar nicht mehr heraus. Bisher waren Frauen für ihn nichts weiter als Lustobjekte gewesen, deshalb war er überzeugt, auf die hübschen, braven zu stehen.
Satake schleppte die Frau in seine Wohnung und stellte sofort die Klimaanlage auf die höchste Stufe. Der Raum glich einer Dampfsauna. Er zog die Vorhänge zu und machte das Licht an. Noch ehe es im Zimmer kühler wurde, hatte er das Gesicht der Frau zu Brei geschlagen. Er hatte es nicht abwarten können, so sehr hatte es ihn danach verlangt. Anstatt ihn anzuflehen, ihn um
Verzeihung zu bitten, wehrte sich die Frau immer heftiger, raste und tobte und blitzte ihn mit wütenden Augen an. Ob Hass imstande war, Schönheit zu
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