Die Umarmung des Todes - Kirino, N: Umarmung des Todes - Out
Adachi-Bezirk, gewesen zu sein. Ständig habe er sich damit gebrüstet, dass deren Anführer jetzt einer der Jungbosse der Toyozumi-Gesellschaft sei. Sobald auch nur das Geringste vorgefallen sei, habe er ihnen diese Geschichte aufgetischt und herumgetönt, deshalb hätten sich alle vor ihm gefürchtet. Auch er selbst habe maßgeblich deshalb gekündigt. Für einen Kredithai zu arbeiten sei ja gerade noch okay, aber wenn die ehrenwerten Yakuza dahinter stünden – nein, danke.
Angaben der Beschäftigten (26) einer Spielothek in der Nachbarschaft:
Der Mann habe einen Lolita-Komplex und sei immer nur gekommen, um Oberschülerinnen aufzureißen. Sie hätten alle über ihn gelästert, von wegen, wie schäbig es doch sei, den Mädchen in einer Spielothek aufzulauern. Aber er komme ziemlich gut an mit seinem hübschen Gesicht und sei oft mit einem jungen Ding an der Seite und stolzgeschwellter Brust abgezogen. Er behaupte zwar, sein Geschäft floriere, aber sie selbst habe eher den Eindruck, dass er von der Hand in den Mund lebe. Er sei ein Wichtigtuer mit übersteigertem Geltungsbedürfnis, wie man schon an dem falschen Namen erkennen könne, den er sich zugelegt habe.
Angaben der Betreiberin (ca. 30) einer Imbissstube in unmittelbarer Nähe von Jūmonjis Wohnung:
Kürzlich sei er ins Lokal gekommen und habe furchtbaren Wind wegen irgendwelcher Sondereinnahmen gemacht, die er feiern wolle. Angeblich habe er gerade ein größeres Geschäft abgeschlossen, aber da sie wisse, dass er nur ein kleiner Geldverleiher ist, habe sie nicht viel darauf gegeben. Er sei zwar ein guter Kunde, aber auf sie wirke er wie ein kleiner Gauner ohne viel Mumm.
Aus der Fülle an Berichtsmaterial konnte man wunderschön herauslesen, was für hervorragende Arbeit Masako und ihre Freundinnen geleistet hatten. In letzter Zeit schien sie sich auch noch mit diesem Yakuza-Verschnitt namens Jūmonji zusammengetan und ein kleines Leichenentsorgungsunternehmen eröffnet zu haben. Na, wenn das kein lukrativer Nebenjob war, alle Achtung! Wieder erschien ein spöttisches Grinsen auf Satakes Gesicht.
Er war das Lesen leid und schob den Aktenstapel in eine Ecke. Durch die Ritzen der Vorhänge dröhnte immer noch das megafonverstärkte Brüllen des Verkäufers zu ihm herein. Satake schob den Vorhang eine Winzigkeit beiseite. Eine blasse, frühwinterliche Sonne sandte die letzten Strahlen des Tages aus und spielte mit dem Staub in der Zimmerluft. Noch würde sie nicht untergehen. Mit sehnsüchtigen Gefühlen betrachtete er die Bahnen tanzenden Staubs. Bis zum Dienstbeginn abends um sieben blieb noch ziemlich viel Zeit.
Da klingelte es. Hastig sprang Satake auf, stopfte die Berichte in eine Papiertüte und schleuderte sie unters Bett.
Neben dem Pfeifen des stürmischen Herbstwindes klang ihm aus der Gegensprechanlage die gekünstelte Stimme Kunikos entgegen.
»Herr Satō? Hier ist Frau Jōnouchi aus dem vierten Stock...«
Sie hatte also schon angebissen! Satake grinste von einem Ohr zum anderen, räusperte sich und sagte: »Könnten Sie sich bitte einen Moment gedulden? Ich mache Ihnen gleich auf.«
Er riss die Vorhänge auf und öffnete die Balkontür, um frische Luft ins stickige Zimmer zu lassen. Dann machte er das Bett und schaute darunter nach, ob die Tüte mit den Detektei-Berichten auch weit genug darunter verborgen lag.
»Verzeihen Sie, dass ich Sie habe warten lassen.« Im Moment, als er die Tür öffnete, blies heulend der scharfe Nordwind in die
Wohnung. Um die Nordseite der Mietskaserne pfiff immer ein kalter Wind. Für einen winzigen Augenblick stieg ihm der penetrante Duft von Kunikos Parfüm in die Nase. »Coco« von Chanel, erinnerte er sich. Anna hatte es einmal von einem Kunden geschenkt bekommen und aufgelegt, worauf er sie hatte warnen müssen, dass es zu stark sei. Schweres Parfüm brachte nur unnötigen Ärger, da die Gäste es mit nach Hause trugen.
»Entschuldigen Sie die plötzliche Störung... Huch!«, entfuhr es Kuniko, und sie hielt sich den Rock fest, während ihr Haar vom Wind zerzaust wurde.
»Aber das macht doch nichts. Bitte, treten Sie ein«, sagte Satake liebenswürdig.
»Vielen Dank.« Hocherfreut betrat Kuniko den engen Vorraum, den sie prompt mit ihrem Leibesumfang ausfüllte. Sie sah aus, als hätte sie sich zum Ausgehen fertig gemacht: schwarzes Kostüm, dazu brandneue Stiefel und um den Hals eine breite Goldkette. Aus reiner Gewohnheit hatte Satake im Nu den Gesamtwert ihrer Kleidung
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