Die Umarmung des Todes - Kirino, N: Umarmung des Todes - Out
abgeschätzt: nachgemachte Designermode, nichts als billiges Zeug.
Sie sah ihn an, als erwarte sie, dass er sie ganz hereinbäte, und spähte dann ungeniert in die Wohnung. »Sie haben es aber sehr schön übersichtlich hier.«
»Tja, wissen Sie, meine Ex-Frau hat sämtliche Möbel mitgenommen, als sie mich verließ. Es macht mich zwar etwas verlegen, aber das da ist leider alles, was mir geblieben ist.« Satake wies auf das Bett am Fenster. Kuniko warf einen Blick darauf und schlug dann hastig die Augen nieder. Eine vulgäre Geste. Hätte sie geahnt, woran er auf diesem Bett gedacht hatte, wäre sie sicher auf der Stelle weggerannt.
»Habe ich Sie geweckt? Aber gestern Abend sind Sie gar nicht auf dem Parkplatz gewesen.«
»Nein, gestern hatte ich meinen freien Tag.«
»Ach so. Um ehrlich zu sein, Herr Satō, ich bin gekommen, um mich von Ihnen zu verabschieden.«
»Was? Wie meinen Sie das?«, fragte Satake erschrocken. Ob sie ihm doch noch entwischen sollte? Wo sie so schön in die Falle getappt war!
»Ja, also, ich habe in der Fabrik aufgehört.«
»Das ist aber schade«, sagte er mit weicher, vorgeblich enttäuschter Stimme, worauf Kuniko sich vor Freude fast überschlug:
»Ja, aber ich ziehe nicht von hier weg, das heißt, als Nachbarn werden wir uns erhalten bleiben.«
»Da bin ich aber froh! Dann auf gute Nachbarschaft!« Sofort ergriff Satake die Gelegenheit und wies in die Wohnung hinter sich. »Es ist zwar alles noch etwas trostlos bei mir, aber möchten Sie vielleicht einen Moment hereinkommen?«
Als hätte sie insgeheim längst darauf spekuliert, riss Kuniko ungeduldig die Reißverschlüsse ihrer Halbstiefel auf, deren Schäfte sich in ihre Waden fraßen.
»Setzen Sie sich doch dort aufs Bett.«
Ohne Kommentar steuerte Kuniko schnurstracks darauf zu. Den Blick auf ihren Rücken geheftet überlegte Satake, wie er weiter verfahren sollte. Das war schneller gegangen, als er erwartet hatte. Aber er durfte sich diese unverhoffte Gelegenheit nicht entgehen lassen. Es sparte ihm die Mühe, sie herzulocken, und da sie von heute an sowieso nicht mehr in der Fabrik arbeitete, würde niemand Verdacht schöpfen, wenn sie plötzlich verschwunden wäre.
»Zu meiner Schande muss ich gestehen, dass ich nicht einmal einen Tisch habe.«
»Ach, ich beneide Sie! Bei mir zu Hause ist alles hoffnungslos überfüllt.« Kuniko saß auf dem Bett und ließ ihre Augen argwöhnisch durch Satakes gähnend leere Wohnung gleiten. »Sieht aus wie in einem Büro. Wo tun Sie denn Ihre Kleidung und so hin?«
»Nun, ich besitze kaum etwas, nur das hier.« Satake deutete an sich herunter auf die Arbeitshose und die Windjacke, die er seit gestern anbehalten hatte. Da er darin geschlafen hatte, war alles verknittert. Blinzelnd betrachtete Kuniko seinen Körper.
»Als Mann kann man sich das leisten, da macht das nichts.« Kuniko griff in ihre Handtasche – ein Chanel-Imitat mit Goldkette – und nahm ihre Zigaretten heraus. Satate stellte ihr einen blitzsauberen Aschenbecher aufs Bett.
»Gleich hier in der Nähe gibt es eine nette Kneipe, wissen Sie. Hätten Sie nicht Lust auf einen Drink?«, schlug Kuniko zögerlich vor, während sie ihr Feuerzeug zückte und sich eine Zigarette anzündete.
»Um ehrlich zu sein, ich vertrage keinen Alkohol«, erwiderte Satake.
Kuniko war sichtlich enttäuscht, fing sich aber sofort wieder: »Wir können ja auch nur etwas essen gehen. Wie wäre es damit?«
»Ja, in Ordnung. Ich mache mich nur rasch fertig, warten Sie doch so lange hier.«
Satake ging ins Bad. Er putzte sich die Zähne und wusch sich durchs Gesicht. Im Spiegel sah er, dass sein Kurzhaarschnitt herausgewachsen war und er einen Stoppelbart trug. Er blickte in das Gesicht des Mannes, der das glanzvolle Leben in Kabuki-chō spurlos abgestreift und sich in einen Parkwächter mittleren Alters verwandelt hatte. Doch schon regte sich die Kreatur, die im Sumpf seiner Augen auf der Lauer gelegen hatte.
Er trocknete sich das Gesicht mit einem Handtuch ab, öffnete die Badezimmertür und sagte zu Kuniko, die sich in dem leeren Zimmer offensichtlich langweilte: »Frau Jōnouchi, was halten Sie davon, wenn wir uns einfach etwas Gutes hierher liefern lassen?«
»Was denn zum Beispiel?«
»Sushi vielleicht?«
»Einverstanden!« Kuniko strahlte übers ganze Gesicht. Aber natürlich hatte Satake zu keinem Zeitpunkt ernsthaft vor, Sushi zu bestellen, denn niemand durfte je erfahren, dass Kuniko in Apartment 412 gewesen war.
»Darf
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