Die Umarmung des Todes - Kirino, N: Umarmung des Todes - Out
hunderttausend Yen zu zahlen, die sie verlangt hatte.
»Gehen wir in ein Hotel?«
»Okay.«
»Wirklich? Dann bist du also einverstanden?«
»Mhm.« Das Mädchen nickte schüchtern. Er wollte sofort mit ihr verschwinden, ehe sie es sich anders überlegte, und beeilte sich, im Geiste die in Frage kommenden Hotels durchzugehen. In dem Moment klingelte das Handy in seiner Gesäßtasche.
»Einen kleinen Augenblick, ja?«, entschuldigte er sich bei ihr. In letzter Zeit hatte er sich nur noch dem Vergnügen gewidmet und den Geldverleih seiner älteren Angestellten überlassen. Vielleicht brauchte sie Rat, deshalb meldete er sich mit missmutiger Stimme: »Jūmonji. Ja bitte?«
»Akira, wo steckst du denn bloß!«, tönte ihm ein charakteristisches Leiern entgegen.
»Ach, Sie sind es, Soga-san. Nochmals vielen Dank für Ihre freundliche Unterstützung neulich!«
Als sie sah, wie unterwürfig er plötzlich wurde, wandte die Oberschülerin sich launisch ab. Aus Furcht, dass sie ihm davonlaufen könnte, griff er hastig nach ihrem Ellbogen.
»Ja, ja, schon gut. Treibst dich wohl gerade in Shibuya rum, was?«, schloss Soga treffsicher aus dem Straßenlärm im Hintergrund.
Musste ihn dieser dreiste Kerl ausgerechnet jetzt anrufen? Jūmonji runzelte die Stirn. »Mh, na ja – und wenn’s so wäre?«
»Mann, was druckst du denn so rum? Weil du in Shibuya bist? Wo du doch damals schon in regenbogenfarbenen Karottenhosen dort herumstolziert bist wie ein Pfau!«
»Ja, aber...«, seufzte Jūmonji und kratzte sich am Kopf. Er hielt die Oberschülerin immer noch am Arm, aber sie machte keinen Hehl daraus, dass ihr Interesse an ihm rapide schwand, und sah sich unruhig um. Auf dem Boulevard von Shibuya wimmelte es von Männern wie Jūmonji, die nach jungen Mädchen Ausschau hielten, und es machte ihn nervös, als er sah, wie sofort einige Männer in Erwartung seines baldigen Rückzugs um sie beide herumzuscharwenzeln begannen.
»Was ist denn eigentlich aus deinem Nissan Laurel mit dem
nach oben verlängerten Auspuff geworden?«, witzelte Soga, der immer ausgelassener wurde.
»Worum geht es eigentlich, weshalb rufen Sie mich an?«
»Aha, dann bist du also mit einem Mädchen zusammen, was? Du alter Schwerenöter, einen ausgewachsenen Lolita-Komplex hast du! Total bescheuert!«
»Okay, okay, Sie haben Recht. Ich gebe alles zu und bitte um Ihr Verständnis, reicht das?«
»Ja, aber es wird leider trotzdem nichts draus.« Sogas Tonfall wurde plötzlich ernst. »Es gibt Arbeit.«
»Was sagen Sie? Einen Auftrag?« Vor Schreck ließ Jūmonji den Arm des Mädchens los. »Tja dann, bis demnächst mal«, sagte die Oberschülerin sofort und machte, dass sie wegkam. Ein paar Männer, die Jūmonji auffällig ähnlich sahen, folgten ihr. Mist, verdammter! Wehmütig blickte er dem kurzen Faltenröckchen nach, das über dem süßen Hintern des davoneilenden Schulmädchens auf- und abwippte. Aber es half alles nichts – Arbeit war Arbeit. Wenn jetzt wieder Geld hereinkäme, würde er sich problemlos zehn solcher Mädchen leisten können. Jūmonji fasste wieder neuen Mut und entschuldigte sich bei Soga: »Tut mir Leid, ich war vorhin etwas abgelenkt.«
»Sie hat dich stehen lassen, stimmt’s? Sieh mal zu, dass du einen klaren Kopf bekommst, die Sache ist brenzlig!«, donnerte Soga. Jūmonji musste an seine gefährlich blitzenden Augen denken, und der kalte Schweiß trat ihm aus den Achselhöhlen.
»Ja, verzeihen Sie bitte.«
»Na, du weißt ja, ich halte große Stücke auf dich. Den letzten Auftrag hast du prima erledigt.«
»Danke.« Es wurde zu laut um ihn herum. Jūmonji floh aus dem Menschengewühl und stellte sich unter das Vordach eines Gebäudes.
»Ich verlass mich darauf, dass du diesmal genauso umsichtig vorgehst, verstanden? Der Kunde möchte das Objekt gerne heute Nacht schon übergeben.«
»Heute Nacht, sagen Sie?«, wiederholte Jūmonji, und überlegte schon im Kopf, wie er Masako am besten erreichen konnte. Er sah auf die Armbanduhr: acht Uhr abends. Um diese Zeit erwische ich sie noch zu Hause, dachte er erleichtert.
»Ja. Handelt sich schließlich um verderbliche Ware, da kann man nicht herumtrödeln!«
»Das ist wahr.«
»Treffpunkt ist der Koganei-Park, hinterer Eingang. Um genau vier Uhr morgens.«
»Verstanden.« Jūmonji prägte sich Zeit und Ort ein.
Soga fuhr mit für ihn ungewöhnlich leiser, dunkler Stimme fort: »Diesmal ist der Auftrag über eine etwas andere Schiene reingekommen als beim
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