Die Un-Heilige Schrift
enthält einen Offenbarungsdialog zwischen Jesus und Jakobus, bei dem es um die Erlösung des Gnostikers aus den Fesseln des Materiellen, der irdischen Welt also, geht. Die angebotene Lösung ist wenig beruhigend: wieder einmal stellt das Martyrium die perfekte Abkürzung dar. Mit dieser Kernthese unterscheidet sich 1 ApokJk nicht von der zweiten Apokalypse und auch nicht vom Brief des Jakobus.
Gleich der erste Absatz der ersten Apokalypse enthält eine interessante Klarstellung:
Es ist aber der Herr, der mit mir gesprochen hat: „Siehe die Vollendung meiner Erlösung! Ich habe dir (bereits) ein Zeichen bezüglich aller dieser Dinge gegeben, Jakobus, mein Bruder. Denn nicht ohne Grund habe ich dich meinen Bruder genannt, obwohl du der Materie nach nicht mein Bruder bist.“ (Lüdemann, S. 160)
Jakobus der Ältere, El Greco, um 1610.
Jacobus der Ältere II, El Greco, um 1610.
Jakobus wäre demnach also nicht der leibliche Bruder von Jesus, sondern durch seine besondere geistige Nähe zum Auferstandenen zum Bruder ernannt worden – womit er, wenigstens im gnostischen Verständnis, in der Wertschätzung durch Jesus höher gestellt wurde. (In der kanonischen Tradition wird Jakobus, wie berichtet, als leiblicher Bruder des Herrn angesehen; selbst Paulus spricht von „Jakobus, des Herrn Bruder“. Apokryphe Quellen behaupten indes, es habe nur ein stiefbrüderliches Verhältnis bestanden, weil Maria keine anderen Kinder gehabt habe als Jesus. [Siehe „Protevangelium des Jakobus“ im Kapitel „Bestseller der Antike“.] Diese Auffassung deckt sich übrigens mit der katholischen Lehre von der Reinheit Marias, die ja bis ans Ende ihrer Tage eine Jungfrau geblieben sei. Jakobus könne deshalb allerhöchstens ein Cousin Jesu gewesen sein; er wird mit dem nur in den Apostellisten am Ende aufgeführten Jakobus dem Jüngeren gleichgesetzt. „Diese Gleichsetzung ist aber wie auch seine Autorschaft für den Jakobusbrief im Neuen Testament nicht haltbar“, meint heiligenlexikon.de. Die Bibel kennt noch weitere Jakobs: Jakobus der Ältere, der Pilger [Stichwort Jakobsweg], Jakobus der Kleine, Jakobus, Vater des Apostels Judas Thaddäus, und ein Jakob als Großvater von Jesus …)
Jacobus der Kleine, El Greco, um 1610. Die biblisch-jakobinische Namensverwirrung wurde durch solche Darstellungen in Serie nicht eben einfacher ...
Jacobus der Jüngere, El Greco, um 1610.
Ein weiteres höchst interessantes Detail ist die Anrede, die Jakobus in Apokalypse 1 für Jesus wählt: Er spricht ihn als „Rabbi“ an. So findet sich ein mächtiges Indiz für das Lager derjenigen, die lieber Jakobus als Paulus als ersten und wichtigsten Verbreiter der christlichen Lehre gesehen hätten, weil der Herrenbruder für den Menschen und Weisheitslehrer Jesus anstelle des entrückten, wundertätigen Gottessohns eingestanden sei. Zudem wird in dieser Anrede nur allzu deutlich, wo Jesu Wurzeln verankert waren: im Judentum, im mosaischen Gesetz. Wie sich die katholische Orthodoxie zu dieser Frage stellt, wurde anekdotisch anhand des Falles Klaus Berger deutlich gemacht.
1 ApokJk ist im Übrigen so stark verstümmelt überliefert, dass tiefer gehende inhaltliche Analysen kaum noch möglich sind. Hervorgehoben sei noch die Stelle, an der Jakobus fragt:
Wer sind die sieben Frauen, die deine Jüngerinnen gewesen sind? Denn siehe, alle Frauen preisen dich selig. (1 ApokJk 38 nach Lüdemann, S. 163)
Jesus’ Beliebtheit bei den Frauen sollte im Hinterkopf behalten werden, wenn nun ein näherer Blick auf die
Zweite Apokalypse des Jakobus
Das Martyrium von Jakobus dem Jüngeren, der hier kurioserweise als Sohn des Alphäus UND als Bruder des Herrn geführt wird. Jan Luiken, 1685.
geworfen wird. Das Hauptthema darin ist die Wiedergabe einer Offenbarung, die Jakobus vom auferstandenen Jesus erhalten hat. Der Gerechte steht kurz vor seiner Hinrichtung; 2 ApokJk endet mit einem Sterbegebet, das Jakobus aus der selbst gegrabenen Steinigungsgrube heraushält. (Das Martyrium des [welchen?] Jakobus gilt als erwiesen und wird gewöhnlich für 62 n. Chr. angenommen. Über die genaue Todesart gibt es hingegen divergierende Ansichten. Der hl. Hegesippus weiß zu berichten, dass ihn die über seine Lehren außer sich geratenen Pharisäer vom Tempel in Jerusalem gestürzt, anschließend gesteinigt und schließlich mit einer Walkkeule den Schädel eingeschlagen hätten. Vermutlich fasste der Mann alle kursierenden Varianten über die Tötung des Jakobus
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