Die Un-Heilige Schrift
Israel werden?“ Und er sandte seine Diener erneut zu Zacharias und ließ sie sagen: „Sprich die Wahrheit, wo ist dein Sohn? Denn du weißt, dass dein Leben in meiner Hand ist!“
Und Zacharias sagte ihnen: „Sagt dem Herodes: Auch wenn du mein Leben nimmst, meinen Geist wird der Herr nehmen. Du kannst nichts tun, außer unschuldiges Blut zu vergießen auf der Schwelle des Tempels des Herrn. Denn ich weiß nicht, wo mein Sohn ist.“ Und in der Morgendämmerung wurde Zacharias getötet und keiner der Söhne Israels wusste, dass er ermordet worden war.
24 So gingen die Priester zur Stunde der Begrüßung, aber Zacharias segnete sie nicht, wie es Sitte war, und kam nicht zum Gebet. Die Zeit verging und sie fingen alle an sich zu fürchten. Einer aber von ihnen wagte es und ging hinein und sah Blut am Altar des Herrn. Da ertönte eine Stimme: „Zacharias ist ermordet worden und sein Blut soll nicht weggewischt werden, bis sein Rächer kommt.“ Der aber dieses Wort hörte, erschrak und eilte, es den Priestern zu berichten.
Und diese wagten es auch und gingen hinein und sahen, was geschehen war. Sogar die Decken des Tempels wehklagten in Trauer und die Priester zerrissen ihre Kleider in ihrem Schmerz. Zacharias’ Körper aber fanden sie nicht, nur sein Blut, das zu Stein geworden war. Dann berichteten sie dem Volk, und alle hörten es und betrauerten ihn drei Tage und drei Nächte lang.
Nach jenen Tagen aber berieten sich die Priester, wen sie anstelle von Zacharias ernennen sollten. Und das Los fiel auf Simeon, denn diesem war vom Heiligen Geist offenbart worden, dass er nicht sterben werde, bis er den Herrn Christus im Fleisch gesehen hätte.
Friede dem Schreiber und dem Leser!
25 Ich aber, Jakobus, der ich diese Geschichte aufgeschrieben habe, begab mich, als in Jerusalem bei Herodes’ Tod ein Aufruhr entstand, in die Wüste, bis der Aufstand in Jerusalem sich gelegt hatte. Ich werde den Herrn preisen, der mir die Weisheit geschenkt hat, diese Geschichte zu schreiben. Gnade wird mit allen sein, die den Herrn fürchten. Amen.
Geburt Marias. Offenbarung des Jakobus.
Friede dem Schreiber und dem Leser.
Das Protevangelium des Jakobus wird zu einer ganzen Gruppe von apokryphen Evangelien gezählt, die sich eines besonders vernachlässigten Abschnitts der Vita Jesu annehmen, seiner Kindheit. Das theologische Interesse war zunächst vollständig auf das Wirken des erwachsenen Jesus konzentriert gewesen, seinen Tod und die Auferstehung. Erst bei den Synoptikern Lukas und Matthäus gesellen sich Vorgeschichten hinzu: Verheißung und Bericht von der Geburt des Täufers (Lk 1, 5–25, 57–80), Verheißung der Geburt Jesu (Lk 1, 26–38), Geburtsgeschichte Jesu (Lk 2, 1–20), Beschneidung, Darstellung im Tempel (Lk 2, 21–38), der zwölfjährige Jesus im Tempel (Lk 2, 41–52); Verheißung und Bericht von der Geburt Jesu (Mt 1, 18–25), Geschichte der Magier (Mt 2, 1–12), Kindermord zu Betlehem, Flucht nach Ägypten und Rückkehr nach Nazareth (Mt 2, 13–23).
Die Wirkung des Protevangeliums
Im Protevangelium des Jakobus war deutlich zu erkennen, wie Motive aus diesen beiden Evangelien vermischt worden sind, wie der Autor die Ereignisse umgefärbt und ausgeschmückt und schließlich der Vorgeschichte eine zentrale Vor-Vorgeschichte, jene Mariens, vorangestellt hat. Das Ergebnis erfreute sich größter Beliebtheit im Volk, wurde mündlich und schriftlich weitergetragen, verändert und ausgebaut und hat seine unauslöschlichen Spuren hinterlassen. Um es ganz deutlich zu sagen: Die apokryphen Texte und unter ihnen ganz besonders das ProtevJak haben „im Altertum, im Mittelalter und in der Renaissance stärkeren Einfluss auf die Literatur und die Kunst ausgeübt als die Bibel“. (Oscar Cullmann in: Schneemelcher I)
Die gesamte Marienverehrung gründet sich auf einem apokryphen Text: dem ProtevJak.
Anders gesagt: Das Protevangelium tat nichts weniger als die gesamte Marienverehrung zu begründen. Die Geschichte fiel auf außergewöhnlich fruchtbaren Boden – ein (pantheistisches) Bedürfnis nach weiteren verehrungswürdigen Bibelfiguren war eindeutig gegeben – und begann, einmal erzählt, ihren Siegeszug in der christlichen Welt. Im Osten stand dies kaum je in Frage, die Westkirche war hingegen weniger angetan von derlei Unternehmungen. Schon zu Zeiten des Hieronymus, dem Verfasser der Vulgata, und Damasus, dem Papst zum Ende des 4. Jhs., wurde gegen Kindheitsevangelien wütend angeschrieben – nicht
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