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Die Unbefleckte Empfängnis (German Edition)

Die Unbefleckte Empfängnis (German Edition)

Titel: Die Unbefleckte Empfängnis (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gaétan Soucy
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Sie sich vorstellen, was das vor den Kunden oder den anderen Angestellten für einen Skandal gegeben hätte? Monsieur Judith ist ein verständnisvoller Mensch, ich habe die Sache heute morgen wieder mit ihm geraderücken können. Aber so was, nun wirklich!«
    »Sie haben kein Recht, mir das zu sagen. Sie haben kein Recht dazu. Ich hatte mich nicht mehr in der Gewalt. Sie haben kein Recht … kein Recht …«
    Sie war in Schluchzen ausgebrochen und schniefte, wie es Gandon nur schwer ertragen konnte.
    »Was ist Ihnen denn da eingefallen, meine Liebe, den armen Tremblay derart zu beleidigen, ohne den geringsten Beweis zu haben?«
    »Ich kam gerade von Eugènes Beerdigung … Ich war … Ich wollte so schnell wie möglich zu den Guillubarts gehen, fühlte mich aber nicht imstande, seiner Mutter unter die Augen zu treten. Deshalb habe ich vor der Tür kehrt gemacht und mir gesagt: Ich bin schuld daran, dass er tot ist. Und dann – ich weiß nicht mehr warum, ich hatte mich, wie gesagt, nicht mehr im Griff –, dann dachte ich: Ich bin nicht die Einzige, die ihn auf dem Gewissen hat! Ich lief zur Bank und wollte diesen Mann zur Rede stellen, diesen … diesen armen Tremblay, wie Sie sagen! Diesen armen Tremblay, den ich letzte Woche noch mit einem kleinen Mädchen gesehen habe, das das Gesicht voller Blutergüsse hatte. Bilde ich mir das etwa auch alles nur ein?«
    »Das war Monsieur Judiths Nichte, er hat es mir selbst erzählt, sie war gestürzt und hatte sich dabei verletzt.«
    Clémentine schlug mit der Faust auf den Schreibtisch.
    »Das glaube ich nicht! Dieser Judith steckt sicher mit ihm unter einer Decke! Oder …«
    »Versuchen wir, ruhig zu bleiben. Das ist Ihre schwache Seite: Sie verlieren zu schnell die Beherrschung. Sie machen sich ja ganz verrückt. Können Sie sich vorstellen, wie das ausgesehen hat gestern, als Sie laut schreiend gegen die Scheibe der Bank getrommelt haben? Und dann Ihr bloßer Fuß im Schnee. Können Sie sich daran erinnern? Sie haben vergessen, den zweiten Stiefel anzuziehen …! «
    Dieser Umstand, von dem sie nichts wusste, bestürzte sie. Gandon fuhr widerwillig fort.
    »Dazu kommt, was Sie am Sonntag gemacht haben, darüber kann ich auch nicht einfach hinwegsehen. Ich habe einen Brief von Rocheleaus Vater bekommen und Bradettes Onkel hat mich angerufen, um mich, Sie gestatten mir den Ausdruck, zur Sau zu machen. Ich kann diese Vorgänge nicht unkommentiert lassen und werde sie auch bei der nächsten Schulratskonferenz erwähnen müssen.«
    »Fünfzehn Jahre im Schuldienst … voller Hingabe … fünfzehn Jahre … fünfzehn Jahre!«
    Ungläubig sprach sie die Worte vor sich hin. Gandon kam es vor, als würde er sie bei lebendigem Leibe sezieren.
    »Bitte entschuldigen Sie, Mademoiselle, aber ich muss Sie fragen, wie Sie diese Dinge sehen.«
    Der Direktor wartete.
    »Was ist daran jetzt so lustig?«, fragte er schließlich leicht verstimmt.
    Clémentine hatte einen grotesken Lachanfall bekommen. Sie hüpfte auf ihrem Stuhl auf und ab, als würde sie über einen Feldweg fahren. Die Sekunden verstrichen. Bruder Gandon erhob sich aus seinem Sessel, um einen Arzt zu rufen.
    »Er hat mir in den Hintern getreten«, sagte sie plötzlich.
    Gandon war sich nicht sicher, ob er richtig verstanden hatte.
    »Jemand hat Ihnen …?«
    Sie nickte.
    »Wer?«
    Von Lachen gepeinigt konnte sie nicht antworten. Er nahm ihr das Whiskyglas aus der Hand.
    »So beruhigen Sie sich doch, ich bitte Sie! Wer hat es gewagt, so etwas mit Ihnen zu machen?«
    Es gelang ihr, sich ein wenig zu beruhigen, und sie griff mit zynischer Fröhlichkeit nach ihrem Glas.
    »Bradettes Onkel. Er hat mir in den Hintern getreten! Können Sie sich das vorstellen? Ein Hinkefuß mit versohltem Hintern. Ich bin gelaufen wie eine Lokomotive. Tsch-tsch-pff, tsch-tsch-pff.«
    Der Direktor traute seinen Ohren nicht. Eine Frau tätlich anzugreifen! Noch dazu auf diese Weise, und obendrein Mademoiselle Clément!
    »Also, das … das ist ungeheuerlich!«
    Die Lehrerin zuckte gleichmütig die Schultern. Trank wieder. Tätschelte sich den Bauch.
    »Ich war zuerst bei Dr. Rocheleau, um ihm meine Befürchtungen vorzutragen. Er lächelte mich engelhaft an. Dann sagte er einfach nur, das sei unmöglich, da würde ich seinen Sohn schlecht kennen, sein Sohn konnte solche Dinge gar nicht getan haben. Er erzählte mir von einem Seraphin, der immer über seinem Kind wacht, und irgendwas von einer Klammer, dann sagte er mir, dass die Mutter des Kleinen

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