Die unbeugsame Braut
turbulent gewesen, so brach im Dezember ein wahrer Wirbelwind von Einladungen zu Partys und Bällen über das Haus der Gordons herein.
Georgina hatte es sich angewöhnt, da zu sein, wenn die Post kam. Sie wollte die Einladungen durchsehen, ehe ihre Mutter sie in die Hand bekam. So konnte sie bereits im Vorfeld jene aussortieren, die vermutlich todlangweilig werden würden.
Heute aber öffnete sie ein Kuvert, das sie neugierig machte, weil es nur an sie und an niemanden sonst adressiert war. Es handelte sich um eine Einladung zu einem Modeabend. Ganz unten stand ganz klein gedruckt: Masken nach Wunsch . Sie wusste nicht, wem sie
die Einladung zu verdanken hatte, doch lag die angegebene Adresse sonderbarerweise ganz in der Nähe des Hauses an der Pall Mall.
Sie steckte die rosa Einladungskarte in ihr Täschchen, und später am Morgen schlenderte sie an dem hohen Haus vorüber. Sie hatte keine Ahnung, wer dort wohnte, doch war ihre Neugier geweckt. Auf der Stelle entschied sie, dass sie hingehen würde.
Die Duchess of Gordon erhielt für den gleichen Abend eine Einladung zu einer musikalischen Soiree bei Lady Lavinia Spencer, die sie für sich und ihre jüngste Tochter annahm.
In letzter Minute jedoch schützte Georgina Kopfschmerzen vor und bat die Mutter, sie zu entschuldigen. Jane nahm es gelassen.
»Da Lavinia und ihre Schwägerin, die Duchess of Devonshire, nicht miteinander sprechen, wird der Duke of Bedford vermutlich ohnehin nicht anwesend sein. Deshalb ist es nicht tragisch, wenn du die Soiree versäumst. Vielleicht solltest du früh zu Bett gehen und einen ausgiebigen Schönheitsschlaf nachholen.«
Nachdem ihre Mutter das Haus verlassen hatte, ging Georgina hinauf in ihr Schlafzimmer, öffnete ihren Kleiderschrank und versuchte mit kritischem Blick die richtige Wahl für den Modeabend zu treffen.
Ich wünschte, Louisa wäre noch da. Sie würde ohne Zögern mitmachen. Wir hatten so viel Spaß miteinander. Georgina hatte ihre Schwester seit deren Hochzeit nicht oft gesehen, da sie mit ihrem Ehemann auf Brome Hall in Suffolk lebte. Louisa war zwar auf Charlottes Ball gewesen, doch hatte ihre Aufmerksamkeit zu Georginas großer Enttäuschung den ganzen Abend lang ihrem Mann Charles gegolten.
Ich sollte eigentlich Helen mitnehmen, aber bestimmt wird sie mich bei Mama verpetzen. Ihr erzählen, dass meine Kopfschmerzen nur vorgetäuscht sind und ich in Wirklichkeit zu einer anderen Einladung will.
Georgina lächelte insgeheim. Masken nach Wahl.
Sie wählte ihr aufwändigstes Abendkleid, eines in lebhaftem
Pfauenblau. Um ihre Identität zu tarnen, setzte sie eine Perücke auf und verbarg ihr Gesicht hinter einer schwarzen, mit Ziermünzen geschmückten Maske, die zu einem Katzenkostüm gehörte, das sie vor Jahren auf einer Kinderparty getragen hatte.
In ihren Samtmantel gehüllt, wartete Georgina am oberen Treppenabsatz, bis die Halle leer und kein Dienstbote mehr zu sehen war. Dann lief sie rasch hinunter und schlüpfte durch die Haustür hinaus. Sie fühlte sich frei wie ein Vogel, und als sie die Pall Mall entlangging, war ihr nach Singen zumute.
Ihre Beklommenheit vor dem Unbekannten unterdrückend, stieg sie die Stufen zu dem angegebenen Haus hinauf und betätigte energisch den Türklopfer. Der Butler, der daraufhin erschien, sah in seiner gold- und purpurfarbenen Livree aus, als stünde er einem königlichen Haushalt vor. Georgina präsentierte ihre rosa Einladungskarte und wurde mit einer förmlichen Verbeugung ins Haus gebeten.
»Hier entlang, Mylady.«
Sie folgte dem Diener eine gewundene, vergoldete Treppe hinauf zu einem von Kristalllüstern erhellten Ballsaal. Vom Boden bis zur Decke verspiegelte Wände vermittelten eine palastartige Atmosphäre. Der Raum war halb voll mit Gästen, mehr Männern als Frauen, und ihr fiel auf, dass die meisten Damen Masken trugen. Sie staunte nicht schlecht, als sie sah, dass die Diener, die Champagnergläser auf Tabletts anboten, weiblichen Geschlechts waren.
Das Orchester spielte ein barockes Stück von Händel, doch niemand tanzte. Drei der Gentlemen waren alte Bekannte: Francis Russell und zwei königliche Prinzen: Frederick, der Duke of York, und Edward, der Duke of Kent. Welch ein Glück, dass sie eine Maske trug, denn so konnte sie inkognito bleiben, solange sie nicht mit ihnen sprach und sich durch ihre Stimme verriet. Was für ein Spaß!
Als die Gastgeberin zu ihr trat, um sie zu begrüßen, wusste Georgina, dass sie diese Frau noch nie im Leben
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