Die unbeugsame Braut
voller Vorfreude auf die bevorstehenden Feiertage gingen sie zu Bett. John war sehr erleichtert, dass seine Jungen ihren Kummer offenbar überwunden hatten und wieder zur Ruhe gekommen waren.
Heute war es John selbst, der unruhig und aufgeregt war. Er ging in die Bibliothek, um sich ein Buch zu holen, doch fand er nichts, was sein Interesse geweckt hätte. Deshalb stieg er hinab in die alte
Waffenkammer. Nicht zum ersten Mal versenkte er sich in die Betrachtung der Lanzen, Streitkolben, Piken und Schilder, die im Laufe der Jahrhunderte zur Kriegführung benutzt worden waren. Dann besichtigte er die Schwerter- und Schusswaffensammlung seines Bruders, in der einige Exemplare seine besondere Beachtung fanden. Auf einem Bord lagen alte Messer und Dolche auf einem großen blauen Samttuch mit Silberbordüre.
Normalerweise konnte er Stunden in dieser Kammer verbringen und die Ausstellungsstücke betrachten, doch heute war er in Gedanken bei Francis und dem Maskenball auf Kimbolton Castle. Du hältst die Ungewissheit nicht aus – ist es nicht so, verspottete er sich selbst. Die Antwort wusste er. Er würde keine Ruhe finden, ehe er es nicht selbst gesehen hatte. Dann geh doch! Was hindert dich daran?
John wickelte die Dolche in den blauen Samt, nahm ein Schwert und einen Schild von der Wand und trug alles in sein Schlafgemach, wo er schwarze Kniehosen und hohe schwarze Reitstiefel anzog. Dann schnitt er ein Loch in das Samttuch, groß genug, dass er den Kopf hindurchstecken konnte. Das gibt einen passablen Wappenrock. Hoffentlich gebe ich einen passablen französischen Musketier ab . Er durchsuchte den großen Kleiderschrank, in dem alte Sachen aufbewahrt wurden, bis er einen breitkrempigen schwarzen Kavaliershut mit einer Straußenfeder fand.
John nahm ein Bad und rasierte sich, ließ dabei aber die Oberlippe aus. Er steckte seinen Finger in den Lampenzylinder und schwärzte den Schatten seines Schnurrbarts mit Ruß. Als er Wappenrock, Hut und schwarze Augenklappe anlegte, wusste er, dass ihn niemand erkennen würde.
Die Aussicht auf ihren ersten Maskenball als Erwachsene erfüllte Georgina mit überschäumender Freude. Da die feine Gesellschaft ihre Neugier nicht zügeln konnte und sich auch nicht die kleinste Einzelheit einer möglichen Bedford-Gordon-Verbindung entgehen
lassen wollte, sagten alle, die Rang und Namen hatten, ihr Kommen zu. »Wir erwarten mindestens zweihundert Gäste … die Hälfte davon Männer«, sagte Susan stolz.
Sie war als Katharina von Aragon verkleidet – ein Kostüm, das sie sich kurz nach ihrer Heirat mit dem Duke of Manchester hatte anfertigen lassen, weil sie es passend für ihre neue Heimat Kimbolton Castle fand. Jetzt half sie Georgina und stülpte ihr eine Perücke mit langem, goldfarbenem Haar auf den Kopf. »Warte, ich verstecke alle dunklen Strähnen darunter. So, jetzt bist du eine perfekte Diana. Wenn du deine wahre Identität preisgibst, wird dein Ruf zum Teufel sein – mit einer nackten Schulter und diesem skandalös kurzen Röckchen.«
»Wozu ist ein Ruf denn sonst gut?«, fragte Georgina vergnügt, als sie ihre geflügelte goldene Augenmaske anlegte und ihr Spiegelbild bewunderte. »Mein Rock ist nicht so kurz wie der Kilt, den Vater für mich schneidern ließ.«
Sie rückte den Köcher mit den Pfeilen zwischen ihren Schulterblättern zurecht und griff nach dem goldenen Bogen. »Du gehst voran, Susan. Ich schätze, dass der Duke of Bedford schon draußen auf der Lauer liegt, um herauszufinden, was für ein Kostüm ich trage.«
»Welch ein Spaß! Ich tue so, als wäre ich du, und führe ihn in die Irre – na ja, zumindest bis zum Ballsaal.«
Susan ging hinaus, und noch ehe sie die Hälfte des Ganges hinter sich gebracht hatte, spürte sie einen Männerarm um ihre Taille und hörte geflüsterte Worte.
»Ich bin Francis. Wie wäre es mit einem Rendezvous, meine Süße?«
»Sie verwechseln mich, Euer Gnaden. Ich bin nicht auf dem Markt, um einen Herzog einzufangen, da ich bereits einen habe.«
Er fasste sich rasch. »Casanova zieht eine Herzogin jeder anderen vornehmen Dame vor.«
»Wirklich? Ich kenne eine Debütantin, die am Boden zerstört
sein wird«, neckte sie ihn »Würden Sie Ihre Gastgeberin zum Tanz führen?«
Georgina wartete zehn Minuten, ehe sie vorsichtig die Tür ihres Gemaches öffnete und hinausspähte. Da der Korridor leer war, gelangte sie unbeobachtet in den Ballsaal und mischte sich unter die Menge.
Die Beleuchtung war gedämpft, die
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