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Die Unermesslichkeit

Die Unermesslichkeit

Titel: Die Unermesslichkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Vann
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Ich meide Karen. Das stimmt. Ich mag sie nicht. Ich halte sie tatsächlich für blöd. Und das weiß Mark.
    Rhoda ließ sie los und seufzte. Sie setzte sich an den Tisch. Vielleicht sollten wir was essen.
    Okay, sagte Irene, und sie nahm den Dosenöffner, die Hand ein wenig zittrig, nur ein wenig. Für Rhoda nicht sichtbar. Sie öffnete zwei Dosen Chili, füllte sie in einen Topf und stellte die Platte an. Dann stand sie da, starrte ins Chili und rührte gelegentlich mit einem Löffel um. Das Flackern der Flamme. Sie wollte sich nicht als schreckliche Mutter sehen. Das nicht auch noch. Was, wenn das ganze Elend mit Gary auch ihre Schuld war?
    Ich heirate, sagte Rhoda.
    Was? Irene drehte sich um, und Rhoda erhob sich von ihrem Stuhl.
    Jim hat um meine Hand angehalten, sagte Rhoda, und sie zeigte Irene ihren Ring.
    Rhoda, sagte Irene und nahm sie in den Arm. Das ist wunderbar. Sie hielt Rhoda fest und wollte sie nicht loslassen. Der Anfang vom Ende für Rhoda, ihr Leben an einen Mann vergeben und verschwendet, der sie nicht liebte. Das genau würde passieren, eine grausame Wiederholung von Irenes Leben, und was konnte Irene jetzt sagen? Aber sicher konnte sich Irene nicht sein. Das war es ja. Vielleicht liebte Jim Rhoda, und vielleicht würde es eine gute Ehe, und vielleicht würde Rhoda glücklich.
    Okay, Mom, sagte Rhoda schließlich. Ich brauche Luft.
    Entschuldigung, sagte Irene und ließ Rhoda los.
    Ich sehe nach dem Chili, sagte Rhoda, wandte sich von Irene ab, um umzurühren, und füllte zwei Schalen.
    Irene war von ihren eigenen Gefühlen überrumpelt. Sie wollte sich für Rhoda freuen, aber sie freute sich überhaupt nicht. Und das durfte sie Rhoda nicht zeigen. Das ist wunderbar, sagte sie wieder, als Rhoda die beiden Schalen auf den Tisch stellte.
    Danke, Mom, sagte Rhoda. Aber sie setzte sich und sah beim Essen in ihr Chili. Sie sah Irene nicht an. Also hatte Irene gar nichts verborgen. Rhoda merkte es.
    Es tut mir leid, sagte Irene. Ich will nur nicht, dass dir dasselbe widerfährt wie mir.
    Was soll das heißen, Mom?
    Würdest du mich bitte ansehen, wenn wir miteinander reden?
    Rhoda sah auf. Himmel, Mom.
    Entschuldigung. Anscheinend komme ich mit niemandem klar.
    Vielleicht denkst du mal darüber nach.
    Wie kann ich an irgendetwas anderes denken? Du bist meine Tochter. Rhoda hatte erneut den Blick gesenkt, und Irene fand das entsetzlich. Ich will, dass du glücklich bist. Das ist alles.
    Na, wie schön, sagte Rhoda. Vielen Dank.
    Dein Vater hat mich nie geliebt.
    Rhoda legte ihren Löffel hin und blickte genervt auf. Mom, sagte sie. Das hatten wir schon. Du weißt, dass das nicht stimmt. Dad hat dich immer geliebt.
    Das ist es ja, sagte Irene. Eben nicht. Er glaubt, er hätte was Besseres verdient als mich. Das hat er jetzt zugegeben, draußen im Zelt. Und er wollte in Ruhe gelassen werden. So verhält es sich mit ihm. Es war eben einfach, ist so passiert, und es hätte Mühe gekostet, mich loszuwerden. Er wäre lieber ohne mich, er war zu träge, um etwas zu unternehmen.
    Ich höre mir das nicht an, sagte Rhoda. Das ist nur der Schmerz in deinem Kopf und vielleicht diese blöde Hütte, dass du da draußen wohnen musst.
    Der Schmerz hat alles klarer gemacht, sagte Irene. Ich kann nicht schlafen, und es fühlt sich an, als könnte ich nicht mal denken, aber aus irgendeinem Grund sehe ich alles klarer denn je. Irene beugte sich vor, beide Unterarme auf dem Tisch. Sie war aufgeregt.
    Das ist beängstigend, Mom. Du solltest dir mal zuhören.
    Rhoda, du musst aufpassen. Was ich dir zu sagen habe, ist wichtig.
    Mom. Rhoda sah sie nun direkt an. Du musst aufhören. Hör dir mal selbst zu. Du klingst wie eine Pennerin, die über Aliens spricht, als würdest du als Einzige das Geheimnis kennen.
    Eine Pennerin?
    Entschuldige, Mom. Es klingt nur so, als würdest du ein bisschen durchdrehen. Was du von Dad behauptest, stimmt alles nicht. Er liebt dich. Er hat dich immer geliebt.
    Irene stand auf. Sie zitterte. Sie nahm ihre Chili-Schüssel und warf sie ins Fenster über der Spüle. Ein lauteres Krachen, als sie erwartet hatte, als die Scheibe zerbrach, aber nicht ausreichend. Gar nicht befriedigend. Sie wollte das ganze Haus zertrümmern. Er liebt mich nicht, sagte sie. Das sollte ich wohl wissen. Ich bin diejenige, die es erlebt.
    Die Scheibe gezackt, freie Sicht jetzt auf Bäume und Schnee. Seltsames Licht, unklar, wo die Sonne stand, wo Licht oder Schatten waren, vom Schnee reflektiert. Keine Zeitvorstellung. Ein

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