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Die ungehorsame Tochter

Die ungehorsame Tochter

Titel: Die ungehorsame Tochter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Oelker
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glückliches Ende zu nehmen
     verspricht. Manchmal ist sie unumgänglich, dann muss man sie antreten. Und im Gegensatz zu», sie stockte, drehte sich um und
     setzte sich wieder an den Tisch, «zu anderen hast du nichts zu verlieren. Du brauchst Mut, dich dem zu stellen, was war. Das
     ist nicht einfach, aber du warst nie feige, und du kannst zu jeder Zeit zurückkommen. Jean und Helena werden überall, wo immer
     sie sind, auf dich warten. Auch wo ich bin, ist immer ein Platz für dich. Das weißt du doch?»
    «Ich danke dir, Anne, ich danke dir sehr. Aber
wenn
ich reise, wer sollte meine Rollen übernehmen? Es gibt kaum ein Stück, in dem ich keine habe.»
    Anne lachte hell auf. «Das ist keine gute Ausrede», sagte sie. «Hast du nicht gesagt, dass Manon alle deine Rollen beherrscht
     und nur darauf wartet, dass dich ein Fieber ereilt oder dass du dir die Knöchel verletzt? Sie wird nicht so unübertrefflich
     sein wie du, besonders in den Hosenrollen, aber es muss reichen. Helena und Jean werden sie schon zurechtbiegen. Ein paar
     Stunden harte Probe, dann wird sie es schaffen. Und nun setz dich, trink noch eine Schokolade und erzähle, warum dein Monsieur
     Cousin sich nicht gleich zu erkennen gegeben hat. Wollte er erst herausfinden, ob du inzwischen mit den Fingern isst?»
    Das war genau der richtige Ton, Rosina wenigstens für eine kleine Weile aus ihrer Zwiespältigkeit zu reißen.
    «Wenn ich es nicht besser wüsste», sagte sie, und in ihren Augen blitzte es schon wieder spöttisch, «müsste ich befürchten,
     mein Hang zur Zweifelei färbe auf dich ab. Wegen meiner Manieren hätte er kaum so lange gebraucht. Nein, er wollte erst ganz
     sicher sein. Mein Vater war überzeugt, dass ich nach meiner Flucht versuchen würde, zum Theater zu gehen, und Klemens fand
     schon im letzten Herbst eine Spur. Aber wir waren einander nur einmal begegnet, als wir kaum laufen konnten. Er kannte ein
     Bild von mir, eine Miniatur, die neben dem Sekretär im Zimmer meiner Mutter hing und wohl immer noch hängt. Doch auch darauf
     ist nur ein Kindergesicht zu sehen, ein zudem ziemlich schlecht gemaltes.»
    «Aber wie fand er deine Spur? Du hattest doch deinen Namen geändert.»
    «Damit hatte er gerechnet, Namen ändern sich auf den Straßen ständig. Mein Vater hat ihm genau beschrieben, wie ich aussah,
     als ich ging, und auch einiges andere erzählt. Damals war ich erst fünfzehn, doch mein Haar ist auffällig, meine Stimme, meine
     Bildung entspricht fast der eines Knaben. Ich fürchte, ich bin überhaupt auffälliger, als ich je annahm.» Ihre Finger strichen
     über die schmale Narbe, die sich über ihre linke Wange bis zum Kinn hinunterzog. «Er hat ihm auch von meiner Flöte erzählt,
     obwohl er glaubte, ich hätte sie längst verkauft, und Klemens hat gesehen, wie ich Fritz darauf unterrichtete. Außerdem habe
     ich den Namen der Stadt, die unserem Haus am nächsten ist, als meinen angenommen. Mich zu finden, sagt er, sei erheblich einfacher
     gewesen, als er befürchtet hatte. Er hat sich bei Komödianten in Leipzig erkundigt, und die sagten ihm gleich, er solle bei
     der Becker’schen Komödiantengesellschaft suchen. Eigentlich hatte er erst im Mai reisen wollen, aber am Anfang des Jahres
     erkrankte mein Vater und bat ihn, trotz des harten Winters gleich aufzubrechen.»
    Zunächst war Klemens Lenthe bei der Suche nach seiner Cousine Emma einem anderen Hinweis gefolgt, aber diese Frau, die er
     bei einer Gesellschaft in Braunschweig traf, erwies sich als die Falsche. Er hatte sich und seinen Auftrag gleich zu erkennen
     gegeben und wäre beinahe auf eine Betrügerin, die Geld witterte, hereingefallen. Als er der zweiten Spur folgte, nahm er sich
     vor, vorsichtiger zu sein.
    «Du kennst die Geschichte: In einem Gasthaus am Fischmarkt sprach er Jean an, gab ihm diese süßliche Ballade und schwärmte
     vom Theater. Jean glaubte in der mangelnden Qualität der Verse und in ihrem elegantenSchöpfer ein grandioses Bonbon für unser Publikum und seine Kasse zu erkennen – schon konnte Klemens ganz unauffällig unser
     Gast sein, bis er sicher war.»
    «Und du hast gar nichts gemerkt?»
    «Wie sollte ich etwas merken? Er war freundlich und aufmerksam, aber tatsächlich nichts Besonderes. Es kommt doch immer wieder
     vor, dass ein Bürger mit zu viel verfügbarer Zeit vom Theater träumt und einer Gesellschaft seine Werke anträgt. Er war auch
     bei uns nicht der Erste. Erinnerst du dich an den armen steinreichen

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