Die ungewisse Reise nach Samarkand: Roman (German Edition)
angeboten.«
»Du, wenn
ich komme, machst du mich mit den beiden bekannt?«
»Klar doch,
Paula.«
»Markus, du musst mit. Das kannst
du dir nicht entgehen lassen. Das sind wirklich Koryphäen.«
Frail hatte
es vor Kurzem auf der Bestsellerliste des ›Time Magazine‹ auf Platz zwei geschafft,
und zwar mit einem monumentalen Ostküstenepos, das nur so von Gewalt und Sex strotzte.
›A Curse on this House‹. Es erinnerte vage an die Geschichte des Kennedy-Clan.
Westerfehn
hingegen war mit seinem Roman ›Held Zufall‹ in aller Munde – das heißt, im Munde
all derjenigen, die literarisch gewichtigere Kost schätzten. Ein Roman, der in spätpostmoderner
Manier eine Geschichte sechsfach variierte.
»Ach, wohl
so was wie ›Lola rennt‹?« Markus war natürlich ein Tom-Tykwer-Fan.
»Ja, so
in etwa.«
»Okay, dann
komme ich mit.«
Sie schoben sich durch das Menschenknäuel
vor dem Eingang der Keksdose – eigentlich der Große Hörsaal, aber kein Mensch nannte
es so. Paula benutzte ein ums andere Mal die Ellbogen, schließlich wollte sie so
nah wie möglich an das Geschehen ran. Und da vorn war auch schon Detlef, im Gespräch
mit den beiden Autoren und einer Dame. Die Blassblonde mit den stahlharten Augen
musste Frails neue Ehefrau sein – die zweite oder die dritte? – und seine neue Agentin.
Paula hatte gelesen, dass sie über Leichen ging. Sie war so um die 40, also über
zehn Jahre jünger als Frail, der trotz seiner sportlichen Statur eher weich wirkte.
Offenbar eine erfolgreiche Kombination.
Harm Westerfehn
schätzte sie auf Anfang, Mitte 60. Trotzdem wirkte er noch richtig jungenhaft, ein
Kobold mit feurig rotem Lockenkopf, spindeldürr und aufgedreht wie ein Spielzeugkreisel.
Pumuckl. Allerdings ein intellektueller Pumuckl – er wurde für den Literaturnobelpreis
gehandelt.
»Hallo,
Detlef.« Paula drängelte sich in die Gruppe hinein.
»Oh, Paula.
Schön, dass du da bist. Darf ich dich bekannt machen?«
Paula strahlte.
Das war ja fantastisch. Ob man sich nach der Lesung noch zusammensetzen könne? Ja?
Frail war zuerst dran. Er hatte
eine recht brisante Sexszene ausgesucht. Er las blendend, an ihm war wirklich ein
Schauspieler verloren gegangen. Dadurch konnte man die Passage sogar genießen. Das
hätte Paula nie und nimmer gedacht, sie hatte sie beim Lesen richtig widerlich gefunden.
Dabei war sie ganz und gar nicht prüde. Aber Frails Vortrag hatte das Pornografische
entschärft. Trotzdem – erotisch war das wirklich nicht, auch wenn das im Klappentext
und in den Rezensionen immer wieder gesagt wurde. Erotisch war was anderes. Das
Auditorium applaudierte jetzt begeistert – wohl eher dem charismatischen Frail als
dem anstößigen Text.
Dann war
Harm Westerfehn dran, mit ›Held Zufall‹. Und Westerfehn stand Frail in nichts nach.
Phänomenale Bilder und irrwitzige Metaphern, abgefahrene Slapsticks und schwärzester
Humor. Pumuckl verwandelte sich in einen Gott, der so cool mit seinen Figuren spielte,
dass es einem den Atem verschlug.
»Detlef
weiß schon, wer ein Zugpferd ist und wer nicht.« Paula stand auf, immer noch Beifall
klatschend. »Komm, wir gehen nach vorn und gratulieren.«
Im Restaurant setzte sich Paula
ganz fix neben Westerfehn. Der puristische Literat lag ihr weit mehr als Porno-Frail.
Aber der wurde sowieso von den Argusaugen seiner unterkühlten Frau bewacht.
Also, sie
fand ›Held Zufall‹ ganz, ganz großartig. Einfach genial. Sie würde das Buch sofort
kaufen.
»Das brauchen
Sie nicht, ich schenke es Ihnen.« Westerfehn griff in seine abgewetzte Aktentasche
und zog ein Exemplar heraus. Er zückte seinen Kugelschreiber. »Für Paula, ja? Das
habe ich doch richtig verstanden?«
Paula nickte
mit hochrotem Kopf. Und nach Vorspeise und Hauptgang sagte sie zögernd, dass sie
auch einen Roman geschrieben habe. ›Die Hyänenfrau‹, eine makabere Dreiecksgeschichte.
»›Die Hyänenfrau‹?
Wie kommen Sie denn auf einen so abartigen Titel? Hyänen sind doch ganz widerwärtige
Geschöpfe. Ist Ihre Protagonistin auch so widerwärtig?«
Hatte sie’s
doch gewusst. Diese Frail war selbst widerwärtig.
»Aber, Joanna,
weißt du denn nicht, dass die ›Hyänenfrau‹ – um bei Paulas Bezeichnung zu bleiben
– ein ganz einmaliges Geschöpf ist? Das einzige Tierweibchen, das auch einen Penis
besitzt.«
Paula und
Detlef prusteten los, Joanna Frails Lippen wurden schmal.
»Stimmt
das wirklich, Harm? Wie soll das denn gehen, mit Penis und Vagina? Das kann
Weitere Kostenlose Bücher