Die ungewisse Reise nach Samarkand: Roman (German Edition)
ich
mir beim besten Willen nicht vorstellen.« Detlef lachte immer noch.
Jonathan
Frail schaute grinsend an den verkniffenen Lippen seiner Frau vorbei.
»Das weiß
ich auch nicht. Da fehlt uns jetzt ein Zoologe.« Westerfehn packte seine Pfeife
aus.
»Entschuldigung,
hier dürfen Sie nicht rauchen. Dazu müssen Sie in den Nebenraum gehen.« Die Bedienung
deutete auf den angrenzenden Glaskasten. »Da drüben, bitte.«
»Okay. Kommen
Sie mit, Paula? Dann können Sie mir in aller Ruhe erzählen, worum es in Ihrem Roman
geht.« Westerfehn hatte jetzt, nachdem er nicht mehr Rücksicht auf die amerikanischen
Freunde nehmen musste, wieder ins Deutsche gewechselt.
»Gern.«
Paula stand auf.
»Also, wenn
ich richtig verstehe, wird am Ende überhaupt kein Verdacht geschöpft? Es sieht ganz
nach einem völlig normalen Herztod aus?«
»Nun ja,
es kommt schon raus, dass er sich zu Tode erschreckt hat, durch das Clownsgesicht.«
»Und da
wird keiner misstrauisch?«
»Nein. Die
Phobie ist ja bekannt. Seine Ex und der kleine Junge wissen davon.«
»Hm.« Westerfehn
stopfte umständlich seine Pfeife nach. »Und Sie haben nie daran gedacht, am Ende
doch noch eine andere Figur einzuführen, die argwöhnisch wird? Irgendein Außenseiter,
ein Bekannter, ein Freund, der der Sache nachgeht?«
»Also, das
wollte ich eigentlich nicht. Das bringt Schwierigkeiten.«
»Inwiefern?«
»Wegen der
Perspektive. Die Geschichte wird von der Protagonistin erzählt.«
»Eine Ich-Erzählerin?«
»Nein, das
nicht. Aber wir sehen alles mit ihren Augen.«
»Okay, das
ist ein Argument. Aber mit ein bisschen Geschick würde sich das trotzdem machen
lassen.«
Er zog an
seiner Pfeife – der einzige Wermutstropfen für Paula. Aber wenigstens waren es keine
Zigaretten oder gar Zigarren.
»Mein Freund
Jonathan wäre da allerdings nicht so puristisch. Der würde ohne mit der Wimper zu
zucken auch andere Figuren zu Wort kommen lassen.«
»Der schreibt
ja sowieso in diesem allwissenden Stil.«
»Nicht nur.
Der vermischt die Perspektiven. Beziehungsweise wechselt ab. Die gute alte Schnitttechnik.
Also, der hätte bestimmt kein Problem damit, noch hundert Seiten aus der Sicht eines
anderen dranzuhängen.«
»Nein, das
will ich nicht. Das wäre wirklich ein Bruch.«
»Nun, man
kann natürlich einen solchen Bruch auch als Experiment sehen – aber wahrscheinlich
würde man so etwas eher mir zubilligen als einer Jung-Autorin, wenn ich Sie mal
so nennen darf.« Westerfehn lächelte.
»Kommt ihr
endlich? Die JoJo’s scharren schon mit den Füßen.« Detlef stand in der Tür.
»Sei nicht
so respektlos, Detlef. Du weißt, das hören die Frails gar nicht gern, zumindest
nicht Joanna.«
Sie lachten
alle drei.
»Das Wichtigste
haben wir ja auch besprochen, nicht wahr? Auf jeden Fall drücke ich Ihnen die Daumen
für Ihr Buch. Hoffentlich finden Sie bald einen guten Verlag.« Westerfehn tätschelte
Paulas Arm. »Und vielleicht treffen wir uns sogar mal auf der Buchmesse, in Frankfurt
oder Leipzig. Als Kollegen.«
Kapitel 18
Paula öffnete ihre Mail. Werbung,
nichts als Werbung – für eine neue Handy-Flatrate, eine neue Autoversicherung, eine
angeblich bombensichere Geldanlage. Dann eine Info von ›Culture Vultures‹, eine
Nachricht von ihrer alten Studienfreundin vom Bodensee, und schließlich der neueste
Uschtrin-Newsletter für Preise und Stipendien. Da musste sie mal reinschauen, obwohl
sie in letzter Zeit nie fündig geworden war. Immer öfter hieß es jetzt Regionalbezug,
Hessen, Bayern, Berlin – Bremen war noch nie vorgekommen – oder es gab diese hinterhältigen
Altersgrenzen, für AutorInnen bis Mitte 20, für AutorInnen bis Mitte 30. Tja, und
dann war Schluss. Ältere mussten ganz einfach schon renommiert und längst bei angesehenen
Verlagen untergekommen sein. Newcomer ab 50? Undenkbar.
Aber da
war ja was. Prosatexte gesucht, ohne irgendwelche Einschränkungen. Zumindest konnte
Paula keine erkennen. Sie klickte den Link an. ›Kunst, Spiel & Fest‹. Das neue
Kulturmagazin. ›Wir suchen den besten Debütroman.‹ Und von Alter keine Rede. Einzureichen
bis zum 10. März, Bekanntgabe des Gewinners Ende April. Das war alles ungewöhnlich
kurzfristig, normalerweise hatte man Monate Zeit, und normalerweise ließen die sich
auch Monate Zeit. Ach, da stand es ja: ›Erinnerung‹. Der Aufruf war anscheinend
schon mal früher drin gewesen und sie hatte ihn übersehen. Allerdings hätte sie
dann noch gar kein fertiges Manuskript
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