Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die unglaubliche Geschichte des Henry N. Brown (German Edition)

Die unglaubliche Geschichte des Henry N. Brown (German Edition)

Titel: Die unglaubliche Geschichte des Henry N. Brown (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Helene Bubenzer
Vom Netzwerk:
müsstest seine Augen sehen, so hat mich noch keiner angesehen.«
    Schwärmerisch verdrehte sie die Augen.
    Ich gebe zu, dass ich nicht unbedingt euphorisch wurde, als sie mir dieses Geheimnis anvertraute. Würde ich sie nun teilen müssen? Würde ein anderer der Vertraute ihres Herzens werden? Wieder keimte die Angst in mir auf, dass Isabelle mich fallenlassen würde. Ich war eifersüchtig. Zum ersten Mal in meinem Leben. Doch Isabelle war wie ein Schmetterling, der von Blüte zu Blüte flog und nirgends lange verweilte, sie war zu neugierig. Dass sie André allerdings so rasch verließ, lag eher daran, dass er auch noch zwei weiteren hübschen Mädchen diese schönen Augen machte. Für zwei oder drei Stunden war Isabelle richtig verzweifelt.
    »Dieser gemeine Kerl«, schimpfte sie zwei Tage später und schlug auf ihr Kopfkissen ein. »Er hat gesagt, er mag mich, und dann bezirzt er parallel auch noch Colette und Jeanne. Und ich habe ihm geglaubt. Ich dachte, er liebt mich!«
    Tränen der Wut traten in ihren Augenwinkeln zum Vorschein.
    Ach, kleine Isabelle, die Liebe sieht anders aus. Das wirst auch du noch lernen. Die Liebe kommt aus dem Herzen.
    Es klopfte an der Tür. Hélène kam herein.
    »Wie sieht es denn hier aus?«, rief sie. »Du könntest wenigstens deine Uniform aufhängen … Was ist denn los?«
    »Nichts! Nichts ist los! Geh raus. Lass mich in Ruhe.«
    »Ist etwas passiert? Ist in der Schule etwas nicht in Ordnung?«, fragte Hélène weiter.
    »Nein! Lass mich. Geh.«
    »Aber, ma belle , vielleicht kann ich dir ja irgendwie …«
    »Nein!«
    Hélène ging still hinaus.
    »Ich hasse sie alle!«, schrie Isabelle wütend. »Alle!«
    Mich auch?
    »Nur dich nicht, Mon ami. Auf dich ist immer Verlass. Du bist der einzig normale Mensch hier.«
    Danke, das hört man gern.
    Ich schäme mich zu sagen, dass ich froh war, dass diese Verliebtheit so schnell verschwand, wie sie gekommen war. Meine Alleinstellung war unangefochten. Heute frage ich mich manchmal, was ich mir eigentlich vorstellte. Glaubte ich wirklich, dass Isabelle ihr Leben lang nur mich lieben würde? Träume eines Bären.
    Bald schon war sie von Neuem erfüllt von diesem eindeutigen Strahlen. Jetzt ist es ernst, dachte ich. Aber auch diese Verliebtheit ging schnell vorüber.
    »Er war nicht der Richtige, Mon ami«, sagte Isabelle. »Der Mann, den ich mir wünsche, muss mir die Welt zu Füßen legen. Er muss mit mir auf Abenteuerjagd gehen. Er muss sich mit mir Audrey-Hepburn-Filme ansehen, ohne zu murren. Er muss mir Blumen klauen und die schönen Künste lieben. Wer das nicht tut, ist nicht der Richtige. François hat die Blumen in einem Laden gekauft. Ist das nicht unromantisch? Und außerdem hat er im Kino gar nicht den Film ansehen wollen. Er wollte nur Händchen halten und mich küssen.«
    Isabelle war unermüdlich. Immer und immer wieder war sie bereit, ihr Herz zu öffnen, und fand dann doch stets einen Makel an dem neuen Kandidaten.
    »Er bringt mein Herz nicht zum Klopfen«, sagte sie über Patric, den Schreinerlehrling.
    »Ich habe keine Gänsehaut, wenn er mir die Hand reicht«, sagte sie über Pierre, ihren Tanzkurspartner.
    »Er hat mein Fahrrad nicht reparieren können«, sagte sie nach einem missglückten Ausflug über Jaques.
    »Seine Zunge war eklig«, sagte sie, nachdem sie Marcel geküsst hatte.
    »Mir wurde nicht schwarz vor Augen«, sagte sie, nachdem sie Claude in sein Bett gefolgt war.
    Als ich all diese Bedingungen hörte, die sie an einen Partner stellte, beruhigte ich mich. Erst jetzt verstand ich in vollem Umfang, was Albert gemeint hatte, als er sagte: »Es ist ein seltener Zufall, der Richtige zu sein.«
    Doch sie wurde nicht vorsichtiger, nicht zurückhaltender, nicht ängstlicher. Sie wollte die Liebe spüren. Und sie hatte eine sehr genaue Vorstellung davon, wie sie sich anzufühlen hatte.
    Nach jeder Enttäuschung spendete ich Trost, bestärkt in meiner Rolle als verständnisvoller Freund. Heute nennt man solche wie mich Frauenversteher. Bitte schön, dann bin ich eben ein Frauenversteher. Darüber hat sich noch nie jemand beschwert.
    Fasziniert verfolgte ich Isabelles Suche nach der wahren Liebe, sah, wie sich tastend voranbewegte, jede Erfahrung analysierte und beherzt den nächsten Versuch startete.
    So vergingen die Jahre. Und ich gewöhnte mich so sehr daran, an Isabelles Seite zu sein, dass ich irgendwann nicht mehr an die Vergangenheit dachte. Ich hörte einfach auf, an Namen, Menschen und Ereignisse zu

Weitere Kostenlose Bücher