Die unglaubliche Geschichte des Henry N. Brown (German Edition)
Hund seinem eigenen Schwanz. Ich freute mich.
Ich freute mich? Was war denn nun los? Isabelle verliebte sich, und in mir regte sich nicht ein Funken Sorge oder Eifersucht? Ich verstand mich selbst nicht mehr. Ich wartete einen Tag, zwei Tage, drei Tage, aber obwohl Isabelle inzwischen in einen Zustand von nahezu lebensgefährlicher Verträumtheit geraten war, stellten sich diese Gefühle nicht ein. Und plötzlich wusste ich, warum: Dieser Gianni war der Richtige.
Eines Abends, als Isabelle noch im Schein schwacher Lampen Signaturen reinigte, legte er ihr eine Blume aufs Kopfkissen. Direkt neben mich. Es war seit Wochen der erste Wohlgeruch in meiner Nähe, das sei nur nebenbei bemerkt. Die Blüte war orange mit einem dunkelbraunen Auge in der Mitte. Sie war einfach und eigentlich nichts Besonderes, aber sie war mit Sicherheit geklaut. Ich grinste zufrieden. Gianni bedachte mich mit einem halb interessierten, halb belustigten Blick, fasste mich jedoch nicht an, zog den Schlafsack so weit nach oben, dass er mich und die Blume verdeckte und ging leise davon. Als sich Isabelle an diesem Abend neben mich fallen ließ, bemerkte sie die Blume nicht. Sie lag sie einfach platt. Ich hätte sie gerne darauf aufmerksam gemacht, aber was soll man tun? Das alte Lied.
Mit müder Hand tastete sie nach mir, stutzte, zögerte und regte sich, als sie statt meines Arms die Blüte zwischen den Fingern fühlte. Sie zog sie hervor, drückte sie an ihrer Brust noch platter und lächelte selig.
Am nächsten Abend nahm Gianni auf unserem Bett Platz.
So hatte ich es nicht gemeint. Er war vielleicht der Richtige, aber doch nicht auf unserem Bett!
Isabelle ignorierte meine Einwände. Sie rückte zur Seite, die beiden saßen sich im Schneidersitz gegenüber und unterhielten sich in einem Kauderwelsch aus Englisch, Französisch und Italienisch.
»Ich habe Herzklopfen«, sagte Isabelle.
»Was?«
»Mein Herz klopft.«
»Das ist auch gut so«, sagte er und lächelte.
»Ja«, sagte sie und erwiderte seinen Blick, »das ist sozusagen eine Bedingung.«
»Eine der wichtigsten zum Leben.«
Sie schwieg. Er streckte den Arm aus und strich ihr mit einem Finger vorsichtig über die Wange. Ich sah, wie sie langsam die Augen schloss und die Berührung zu genießen schien. Ich räusperte mich innerlich.
Entschuldigung, ihr seid nicht allein. Könnt ihr nicht ein bisschen Rücksicht nehmen?
»Ich habe eine Gänsehaut«, flüsterte sie.
»Was ist das?«, flüsterte er zurück.
»Ein schönes Gefühl.«
»Gut«, sagte er.
»Sehr gut«, sagte sie.
Sie sahen einander an, dann lehnte er sich zu ihr hinüber und küsste sie auf den Mund.
Bitte, das ist mir zu privat!
Er nahm ihren Kopf in beide Hände und strich mit den Daumen vorsichtig über ihr Gesicht. Sie hob die Hände und tat es ihm gleich.
Ich wollte mich am liebsten in Luft auflösen. Zwar wusste ich alles über die Liebe im Herzen, aber was wusste ich schon über die Liebe der Körper? Nichts! Und ich war mir nicht sicher, dass ich in diesem Moment mehr darüber erfahren wollte. Ich konnte sehr wohl bestätigen, wie schön es ist, wenn man gestreichelt wird. Sicher durchströmten Wellen des Wohlgefühls meine kleine Isabelle, wenn er sie so berührte. Und vermutlich erging es ihm nicht anders. Ich wusste, dass man eigentlich nicht genug davon bekommen kann, zärtlich berührt zu werden. Dass ein fremder Atem im Ohr bis in die Magengrube kitzeln kann. Ängstlich fragte ich mich, was ihnen als Nächstes einfallen würde.
Lange sagten sie nichts. Dann fragte sie:
»Kennst du Audrey Hepburn?«
»Sie hat mich fast mit dem Motorroller überfahren, am Kolosseum. In Rom …«
Isabelle sah ihn aus großen Augen an.
»Ich war acht Jahre alt und fand sie sehr mutig und wahnsinnig schön.«
»Du hast die Dreharbeiten von Ein Herz und eine Krone gesehen?«
»Ich war Statist.«
Ach, Isabelle. Wie findest du das?
»Unglaublich.«
»Wieso fragst du?«
»Weil ich, seit ich acht bin, glaube, dass Audrey Hepburn die Liebe in sich trägt«, sagte sie leise, und fast schien mir, als schämte sie sich ein wenig für ihre kindliche Überzeugung.
Also, Moment mal, ich trage die Liebe in mir.
»Vielleicht tragen auch noch andere die Liebe in sich?«, flüsterte er.
»Das hoffe ich« sagte sie und setzte ihre Inquisition fort: »Magst du Botticelli?«
»Ab heute nicht mehr«, antwortete Gianni und strich sich den langen Pony aus der Stirn.
Isabelle sah ihn enttäuscht an.
»Du bist schöner als
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