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Die unglaubliche Geschichte des Henry N. Brown (German Edition)

Die unglaubliche Geschichte des Henry N. Brown (German Edition)

Titel: Die unglaubliche Geschichte des Henry N. Brown (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Helene Bubenzer
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Überraschungen.«
    »Du auch. Sieht man doch.«
    Sie drückte seine Hand, und in mir wuchs die Liebe auf Maximalgröße an, ich hätte platzen können vor Glück. Doch Stefano verhinderte das. Er schlenderte an unserem Bett vorüber, wo Gianni und Isabelle nebeneinander saßen, den Skizzenblock auf den Knien.
    »Na, sieh einer an«, sagte er abfällig. »Das Franzschößchen und der Streber.«
    »Mach die Mücke«, sagte Gianni abweisend.
    Isabelle senkte den Kopf.
    »Eine nette kleine putana hast du dir da ausgesucht, Römer. Hat sie dir schon erzählt, dass sie es am liebsten mit verheirateten Männern treibt?«
    Mein Mädchen, was hast du ihm erzählt?
    Isabelle schaute zu Boden. Ich sah, dass seine Worte direkt in ihr Herz trafen.
    »Verpiss dich, Stefano. Bist du so erfolglos, dass du es anderen nicht gönnst?«
    »Ich mag nur keine abgenutzten Frauen.«
    Dieser Satz echote durch den ganzen Saal, prallte von den Wänden ab und kam mit doppelter Wucht zu uns zurück. Mir klangen die Ohren von dieser Beleidigung.
    Da sprang Isabelle auf und knallte ihm eine Ohrfeige ins Gesicht, die den Abdruck aller fünf Finger auf seine Wange brannte.
    »Du mieses Schwein!«, schrie sie, und ihre Stimme überschlug sich vor Aufregung. »Du mieses Dreckschwein!«
    Alle im Saal sahen herüber.
    Ich war baff. Alle waren baff.
    Direktor Casamassima löste sich aus der Gruppe, kam herüber und legte Isabelle die Hand auf die Schulter.
    »Isabelle. Wir können hier keinen Ärger gebrauchen«, sagte der Direktor bestimmt.
    »Aber ich … er … er hat …«
    »Es ist mir egal, wer was getan hat. Ich will hier einfach keine Streitereien. Reißen Sie sich also bitte zusammen.«
    Was bildete dieser Direktor sich ein? Isabelle war unschuldig. Stefano gehörte ermahnt und hinausgeworfen!
    Isabelle hatte wieder den Kopf gesenkt.
    Das darfst du dir nicht gefallen lassen. Wehr dich endlich. Los!
    Als sie aufsah, war ihr Gesicht rot vor Wut und Scham. Ich wünschte, sie würde explodieren, ich wünschte, sie würde dem Direktor und diesem Stefano ins Gesicht springen. Ich wollte am liebsten schreien:
    Das ist ungerecht, das ist gemein. Sie haben ja keine Ahnung!
    »Es kommt nicht wieder vor. Verlassen Sie sich drauf«, sagte Isabelle dann langsam und beherrscht. Ihre Wangen glühten, ihr entschlossener Mund war zu einem dünnen Strich geworden.
    »In Ordnung«, sagte Direktor Casamassima. »Vergessen wir die Sache. Wir haben genug zu tun.«
    Stefano triumphierte. Doch sie ließ sich davon nicht einschüchtern. Könnten Blicke töten, wäre er jedenfalls innerhalb von Sekunden umgefallen.
    »Also, dann«, sagte der Direktor »enttäuschen Sie mich nicht.«
    Und er ging.
    Zwei Sekunden starrte Stefano Isabelle noch aus wütenden schwarzen Augen an, dann zischte er:
    »Soweit ich weiß, ist Casamassima verheiratet. Wäre der nichts für dich?«
    Gianni hielt Isabelle eisern fest, und ich sah, wie sie seine Hand in hilfloser Wut umklammerte.
    Der schöne Stefano drehte sich auf dem Absatz um und verschwand zwischen den anderen Engeln des Schlamms.
    Gianni sah Isabelle an und sagte:
    »Also, das hast du mir nicht erzählt.«
    »Du glaubst doch wohl nicht, was Stefano …«, stotterte Isabelle verzweifelt.
    Er lächelte sie an.
    »Du hast mir nicht erzählt, dass du Preisboxerin bist, meine ich«, sagte Gianni und küsste sie.
    Heute weiß ich, dass Isabelle an diesem Nachmittag ein Stück erwachsener geworden war. Viel erwachsener, als jede Ausbildung oder jedes Studium sie hätte werden lassen können. Damals jedoch war ich erstaunt über ihre Beherrschung und befand, dass ein wenig mehr der gewohnten Aufsässigkeit durchaus angezeigt gewesen wäre. Nun, auch als Bär muss man reifen – selbst wenn es keiner sieht.
    Weihnachten näherte sich. Für mich zum fünfundvierzigsten Mal. Ich hatte aufgehört zu zählen, habe aber inzwischen nachgerechnet. Nur der Zahl wegen. Fünfundvierzig ist eine gute Zahl, finde ich.
    Die Luft wurde kälter, der Winter hielt auch in Florenz Einzug, und die Feuchtigkeit wollte nicht aus Mauern und Kleidern verschwinden. Um sich aufzuwärmen, gingen Gianni und Isabelle immer in ein kleines Restaurant in der Via dei Neri, wo sie für wenig Geld Spaghetti mit Soße bekamen und ein Glas vom Hauswein gratis vom Wirt dazu.
    Sie hatten inzwischen mit anderen die Betten getauscht und schliefen jetzt nebeneinander. Über dem kleinen Abgrund von fünfzehn Zentimetern hingen ihre Hände die ganze Nacht fest ineinander

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