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Die unglaubliche Geschichte des Henry N. Brown (German Edition)

Die unglaubliche Geschichte des Henry N. Brown (German Edition)

Titel: Die unglaubliche Geschichte des Henry N. Brown (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Helene Bubenzer
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brach Claire endgültig in Tränen aus.
    Es war eine Qual, diesen drei Menschen dabei zuzusehen, wie sie in ihrem Ringen um Liebe nur Schmerz hinterließen. Zum ersten Mal begriff ich, welch ein Geschenk es ist, lieben zu können, und mir sank das Herz. Hier konnte selbst ich nichts mehr ausrichten.
    Laura hielt durch.
    Bald hatten alle Jeans Löcher, sie trug eine Sicherheitsnadel im Ohr und kaute mit offenem Mund Kaugummi. Larry, die Ratte, blieb. Nachts wohnte sie in einem kleinen Käfig im Kinderzimmer (dafür war ich sehr dankbar, immerhin musste ich auch noch gelegentlich dort übernachten). Tagsüber sah ich zu, wie Laura das Tier ununterbrochen fütterte, streichelte und ihm mit säuselnder Stimme alles Mögliche ins Ohr flüsterte, was vermutlich besser für meine Ohren bestimmt gewesen wäre. Ich war doch hier der Bär mit Trostauftrag. Was konnte dieses »Vieh« (wie Claire es nannte) schon tun? Es verstand ja nicht mal, was Laura sagte. Aber es blieb dabei: Die Ratte wurde verhätschelt, ich wurde verhauen. Gut, ich wurde nicht wirklich verhauen, aber es fühlte sich so an.
    Janine kam alle paar Tage vorbei, um sich über Lauras Fortschritte zu informieren. Ich lag auf dem Rücken neben dem Bett, streckte die Beine in den Himmel und wartete auf Beachtung.
    »Und, wie läuft es?«, fragte sie.
    »Ich weiß nicht«, sagte Laura. »Ich habe Hausarrest.«
    »Das ist gut. Dann machen sie sich Sorgen.«
    »Ich weiß.«
    »War doch geil, ein bisschen bei den Punks auf der Kirchentreppe rumzusitzen«, sagte Janine.
    »Also, mir waren die schon unheimlich.«
    »Mir auch. Aber sie waren doch ganz nett.«
    »Die Leute haben uns so komisch angeguckt.«
    Laura waren Zweifel gekommen, das wusste ich jetzt sicher.
    »Na und? Man wird seine Cola doch wohl noch trinken dürfen, wo man will, oder? Die Schweiz ist ein freies Land.«
    »Papa sagt, wenn man ein Gummibärchen in Cola legt, dann wird es erst vier Mal so groß und dann verschwindet es«, sagte Laura und fischte ein paar Gummibärchen aus einer Tüte.
    »Magst du lieber die roten oder die grünen?«, fragte Janine.
    »Die gelben«, sagte Laura und musste lachen.
    Auf einem Mini-Poster in ihrer Zeitschrift, von dem das Pop-Duo Modern Talking strahlte, sortierten sie die Bärchen nach Farben. Gelb und rot und grün auf das Gesicht des braun gebrannten langhaarigen Mannes, dem eine Kette mit dem Namen Nora um den Hals hing. Weiß und orange auf das Gesicht des braun gebrannten Blonden mit Ananas-Frisur, der seine Gitarre falsch herum hielt.
    »Guck mal, eigentlich sehen die genauso aus wie dein Bär«, sagte Janine und hielt ein Gummibärchen vor mich.
    »Er heißt Paolo«, sagte Laura. »Aber die hier sind viel süßer.«
    Sie kicherte.
    Sehr witzig.
    »Ob das mit Paolo auch funktioniert?« Laura kicherte wieder. »Das mit der Cola? Dann kriegt er einen ganz dicken Bauch. So wie die Biafra-Kinder!«
    »Ihh!«, machte Janine. »Denen sitzen immer Fliegen in den Augen. Das ist so oberschrecklich.«
    »Meine Mutter sagt, dass wir daran schuld sind, dass die Kinder dort verhungern«, sagte Laura mit vollem Mund.
    »Versteh ich nicht.«
    »Nö. Ich auch nicht. Aber sie hat ja auch einen Helferkomplex.«
    Die Themen wechselten schneller als das Wetter am Oltener Himmel. Und auch ohne dass ich wusste, was ein Biafra-Kind war, war ich froh, dass mir ein experimentelles Cola-Bad erspart blieb. Laura war inzwischen alles zuzutrauen. Sie hatte das traurige Mädchen, das ich in Fiesole kennengelernt hatte, sorgsam unter dem aufmüpfigen Gehabe eines Teenagers begraben.
    »Papa muss nächsten Monat zum Wiederholungskurs«, sagte Laura plötzlich. »Dann ist Mama vielleicht auch wieder ein bisschen besser drauf, wenn er weg ist.«
    »Mein Vater ist immer total schlecht gelaunt, wenn er zum WK muss. Er sagt, dass sowieso niemand die schweizerische Armee ernst nimmt. Er hätte etwas Besseres zu tun, als alle zwei Jahre für ein paar Tage sinnlos in der Gegend rumzuballern.«
    »Macht doch bestimmt Spaß.«
    Vergiss es.
    Janine zuckte die Schultern. »Keine Ahnung.«
    »Sollen wir runter an die Brücke gehen?«, fragte Laura. »Vielleicht ist Sandra ja da, oder Lea oder Tom.«
    »Ich denke, du hast Hausarrest«, wandte Janine ein.
    »Und wen soll das interessieren?«
    Tom war Lauras erster Schwarm. Sie versuchte immer gleichgültig auszusehen, wenn sie ihn erwähnte, doch ich hatte gesehen, dass sie seinen Namen mit Herzchen versehen auf ihr Federmäppchen gemalt hatte. Doch wie

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