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Die unglaubliche Geschichte des Henry N. Brown (German Edition)

Die unglaubliche Geschichte des Henry N. Brown (German Edition)

Titel: Die unglaubliche Geschichte des Henry N. Brown (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Helene Bubenzer
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herausstellte, verfügte er über einen großen Vorrat – von dem allerdings niemand etwas wusste.
    Ich versprach artig, das Versteck nicht zu verraten. Wie auch?
    »Vermaledeite amerikanische Doppelmoral!«, fluchte er. »Saufen wollen sie, alle wie sie dastehen. Aber sehen soll’s keiner. Ich bin auch schon so geworden. Verstecke mich in meinem eigenen Haus. Hol doch der Teufel Max und seine Einwandererschnepfe. Vorne hui und hinten pfui, ja, ja!« Er lachte schmutzig. »Charleston tanzen sie, dass die Röcke fliegen, die jungen Dinger.«
    Charleston. Das Wort versetzte mir einen Stich in der Brust. Cathy. Die Bibliothek. Ach, wie lange war das schon her?
    »Prohibition, dass ich nicht lache«, grunzte er weiter. »Wo soll denn sonst der Spaß im Leben herkommen?«
    Ja, wo sollte im Leben der Spaß herkommen?
    Das habe ich mich in der Zeit in Amerika oft gefragt, wenn Greg verstummt und in seinen schmatzenden Mittagsschlaf gefallen war und ich mit dem Knacken der Holzwürmer allein blieb. Ich ertappte mich sogar bei dem Gedanken, dass eine Katze nicht schlecht wäre, nur so, um jemanden zu haben, über den man sich ärgern könnte, aber eigentlich hatte ich wohl einfach Sehnsucht.
    Amerika in allen Ehren und kein schlechtes Wort über Grandpa Greg, aber ich sehnte mich nach London und unseren guten alten Gewohnheiten, nach Mary Janes Gesang, dem Park am Fitzroy Square, dem Sofa und dem Kaminsims. Ich hatte Sehnsucht nach der frischen Luft, die durch die Wohnung wehte, wenn geputzt wurde, nach dem Gelächter der Kinder und nach den gemeinsamen Mahlzeiten, nach Victors Späßen und Emilys Blick auf die Uhr, wenn sie fand, es sei an der Zeit, den Sundowner zu nehmen. Ich hatte Sehnsucht nach all dieser Vertrautheit. Ich glaube, ich hatte Heimweh.
    Und seltsamerweise blieb es, auch nachdem Lili mich wieder in ihre Arme geschlossen und mich mit auf ihr Zimmer genommen hatte. Und auch, als wir wieder in London waren – ja, an manchen Tagen habe ich es heute noch.
    Amerika geht an niemandem spurlos vorüber, hat Grandpa Greg einmal gesagt. Spätestens dieser Ausspruch beweist, dass er kein Spinner war, denn er irrte sich nicht. Auch die Browns traten mit leichten Blessuren ideologischer Art die Heimreise an. Keine schlimmen, aber doch spürbar: Leo übernahm den breiten Akzent und sagte fürderhin Tomäidos statt Tomatos, Victor äugte neidisch auf die unbegrenzten Möglichkeiten, Träume zu verwirklichen, Emily verspürte eine plötzliche Berufung zur Politikerin, und Lili solidarisierte sich mit einem zwölfjährigen Schuhputzer, der ihr schließlich ihre Geldbörse abnahm. Und ich?
    Ich versank langsam, aber sicher in Vergessenheit.

3
    V or zwei Minuten kam ein Mann herein. Ein Soldat. Das habe ich am Schritt erkannt.
    Er ist noch da.
    Es macht keinen Unterschied, ich weiß, aber ich versuche, die Luft anzuhalten, kein Geräusch zu machen. Aber er weiß, dass ich hier bin. Er ist wegen mir gekommen. Er soll mich holen. Mich aufschneiden.
    Wo bleibt die Schriftstellerin? Wieso lässt sie mich hier allein?
    Über der grauen Wanne, in der ich noch immer liege, taucht ein Gesicht auf. Ich hatte recht. Er ist Soldat, vermutlich Grenzschutz. Auf seinem Kopf sitzt eine Uniformmütze.
    Wie sehr hatte ich mich gefreut, als nach dem Krieg die Uniformen verschwanden. Damals habe ich gebetet, sie würden nie wiederkommen. Es scheint, als werden Gebete von Bären nicht erhört. Warum auch?
    Ich hasse Uniformen. Ich hasse sie, weil alles an ihnen Leid und Unglück bedeutet. Sie bedeuten Krieg und Gewalt. Sie bedeuten Macht und Gehorsam – ob aus Prinzip oder Hörigkeit, aus Angst oder Überzeugung, das sei einmal dahingestellt. Sagte ich bereits, dass ich Uniformen hasse? Nun, ich kann es nicht oft genug wiederholen.
    Ich merke, wie sich mir alle Haare sträuben. Der Mann sieht mich an. Nicht freundlich, nicht unfreundlich. Er sieht mich einfach nur an. Dann verschwindet sein Gesicht wieder, und ich schaue an die Decke, wie ich es die Stunden vorher getan habe.
    Es passiert nichts. Ich höre, wie er sich hinsetzt. Etwas klappert. Es macht mich fast verrückt, dass ich nicht sehen kann, was er tut. Sonst stört mich das nur selten, denn ich bin im Laufe der Jahre ein Ass darin geworden, Geräusche zu erkennen, fast wie ein Blinder kann ich Klänge zuordnen. Aber jetzt rauscht die Aufregung so laut in meinen Ohren, dass ich nichts erkennen kann.
    Plötzlich spricht er. Er telefoniert also.
    »Haubenwaller hier. Sagen Sie,

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