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Die unglaubliche Geschichte des Henry N. Brown (German Edition)

Die unglaubliche Geschichte des Henry N. Brown (German Edition)

Titel: Die unglaubliche Geschichte des Henry N. Brown (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Helene Bubenzer
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Bichler, is des Ihr Ernst?«
    Kurzes Schweigen.
    »Und wer hat das veranlasst? … Geh, bitte, is der noch g’scheit? … Ja … Is recht … ja … bittschön … ja … ich hab ja sonst nichts zu tun … ja, eh … Servus.«
    Er legt auf.
    »Befehl ist Befehl«, sagt er dann in die Stille des Raumes.
    Nein! Ich will diese Worte nie wieder hören.
    Wieder erscheint sein Gesicht. Seine Hand greift nach mir, er hebt mich aus der Wanne, schüttelt mich, hält sein Ohr an mich.
    Ich kann nicht mehr. Die Angst bringt mich fast um den Verstand.
    Dann legt er mich zurück. Geht. Schließt ab.
    Ich atme aus.
    Befehl ist Befehl. Was habe ich gesagt? In Uniformen lebt der Gehorsam, wie die Läuse im Pelz einer Katze.
    Wenn einer mein Alter erreicht hat, ist es wohl keine Frage, woher dieser Widerwillen gegen Uniformen kommt. Ich habe sie alle gesehen. Die französischen, die deutschen, die amerikanischen, die russischen, die italienischen, die norwegischen, die finnischen, die englischen – alle. Und es waren nicht die Menschen, die sie trugen, die ich hasste, sondern das, was die Uniformen aus ihnen machten. Befehlsgeber. Befehlsempfänger.
    Nichts für Freiheitskämpfer wie mich.
    Zu viel Leid ist geschehen. Und für mich nahm es seinen Anfang in Paris.

DIE GEWITTERWOLKE
    R obert und ich lagen zwischen Kohlköpfen und Wassermelonen im Dunkel des Vorratsraums. Durch die dicken Wände drang keine Wärme herein, es war angenehm kühl. Hier würden sie uns niemals finden. Wir waren in Sicherheit. Und wir hatten Prinzessin Zazie gerettet. Wieder einmal.
    Robert und ich retten Prinzessin Zazie mindestens einmal täglich, und zwar vor den Rächern Samir-Unkas. Er war ein schlimmer Bösewicht, der in seinem dunklen Schattenreich alle Menschen, die ein Herz hatten, in einen Turm sperrte. Dort lagen sie in Ketten geschlagen und bekamen nur Steine zu essen, bis ihr Herz selbst zu Stein geworden war. Einmal für immer zum Bösen bekehrt, wurden sie als Rächer entsandt, um neue Herzen zu finden.
    Prinzessin Zazie war von umwerfender Schönheit. Sie strahlte heller als die Sonne, ihre Haut war glatter als Seide, ihr Haar weicher als ein Sommerregen. Ihr Herz schlug kräftig und war das begehrteste der ganzen Welt, denn sie hatte verkünden lassen, dass sie es dem Menschen schenken würde, der Samir-Unka besiegte. Mit anderen Worten: Alles, was Beine hatte, war auf der Jagd nach Samir-Unka. Nur wir, selbstlos und edel, beschützten die Prinzessin vor den Schergen des herzlosen Ungeheuers. Niemand wusste, wie lange diese Jagd andauern würde, denn niemand hatte den steinernen König je zu Gesicht bekommen. Doch seine Rächer waren überall. Sie waren so gut wie unverwundbar – nur eine Schwachstelle hatten sie: Sie konnten nicht schwimmen, denn ihr Herz war so schwer, dass es sie erbarmungslos unter Wasser zog und nie wieder auftauchen ließ.
    Robert und ich konnten auch nicht schwimmen, obwohl Nadine, Roberts Mutter, ihn immer wieder in das nahe gelegene Schwimmbad von Butte aux Cailles schleppte, damit er vor den anderen Kindern nicht wie ein Feigling dastand. Aber Robert wollte nicht schwimmen, die anderen Kinder waren ihm egal und er war trotzdem kein Feigling.
    Ich finde, unsere Kämpfe gegen Samir-Unka lassen daran keinen Zweifel.
    »Robert? Robert, chéri , wo steckst du schon wieder. Allez, es ist Zeit, nach Hause zu gehen.«
    »Da ist sie«, flüsterte Robert mir ins Ohr. »Die Hexe, sie ist die Schlimmste von allen. Was sollen wir tun, Doudou?«
    Ich versuchte, mir einen Plan auszudenken, aber mir war klar, dass wir der Hexe Nadine nie im Leben entwischen konnten. Sie schaffte es jeden Abend, uns einzufangen, in ihr Haus zu schleppen und uns dort einzusperren. Robert musste unter ihrer strengen Aufsicht viel essen, und genau wie bei Hänsel und Gretel fühlte sie jeden Morgen, ob der Junge zugenommen hatte.
    Robert hielt die Luft an und presste seine Nase in mein Fell. Die Tür ging auf, und der lange Schatten der bösen Hexe fiel über uns. Es gab kein Entrinnen mehr.
    Insgeheim waren wir allerdings dankbar, wenn Nadine kam, denn oft waren unsere Verstecke unbequem und kalt, und manchmal dauerte selbst Robert das Warten auf die Rächer zu lang. Und eigentlich – ganz unter uns – war die Hexe sogar ganz nett.
    Ich hieß jetzt Doudou. Ein Name von vielen – besser als Claire, als Mimi, als Bear und sogar als Puddly, finde ich. Die Hoffnung, irgendwann einmal wieder Henry zu heißen, hatte ich auf unbestimmte Zeit

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