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Die unglaubliche Geschichte des Henry N. Brown (German Edition)

Die unglaubliche Geschichte des Henry N. Brown (German Edition)

Titel: Die unglaubliche Geschichte des Henry N. Brown (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Helene Bubenzer
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des Schaufensters die Nasen platt und sahen zu, wie er sein riesiges Beil auf blutige Stücke von geschlachteten Tieren niedersausen ließ. Mir drehte es den Magen um. An seine arme Frau mochte ich gar nicht denken. Doch merkwürdigerweise war er immer freundlich zu Robert und schenkte ihm gelegentlich ein Stückchen Wurst, wenn er ihn entdeckte.
    Auf der Rue de la Butte aux Cailles kannten wir jeden Stein. Das Kopfsteinpflaster war uneben und von den vielen Rädern, die seit hundert Jahren darüberholperten, schon ganz löchrig. Wir sprangen immer an denselben Stellen über den Rinnstein, galoppierten im Eiltempo an den Häusern der Schwestern mit dem bösen Blick vorbei, denn dahinter wartete die sichere Oase von Maurice Mouton.
    Der Rückweg nach Hause führte manchmal durch die Rue Boiton über die Rue Bobillot hinüber und weiter in die Rue du Moulinet. Dort befand sich die Stiftung zur moralischen Aufrichtung gefallener Mädchen, dort befand sich der Bäcker und vor allem befand sich dort der große verwilderte Garten von Madame Denis. Kirschbäume und Birnbäume verstreuten dort ihre weißen Blüten über die Wiese, auf der Klatschmohn und Butterblumen wuchsen. Ein umgestürzter Pflaumenbaum lag quer über dem Trampelpfad, der sich zwischen wuchernden Brombeeren und Unkraut in den hinteren Teil des Gartens zur Laube schlängelte. Und von irgendwoher kam ein kleiner Bach geflossen, der am Ende der Wiese in einem Rohr unter der Erde verschwand. Ich weiß nicht, wie viele Nachmittage wir in dem baufälligen Häuschen am Rande der Rosenbeete verbracht haben. Unzählige. Die Laube war unser einziges wirkliches Geheimnis.
    Weder Nadine noch Nicolas wussten, dass wir uns in diese Gegend wagten. Nadine hatte die Avenue de Tolibac verboten, von der Rue du Moulinet war jedoch nie die Rede gewesen. Frei nach dem Motto, was nicht verboten ist, ist erlaubt, gingen wir im Garten von Madame Denis auf Entdeckungsreise.
    Manchmal sah ich ihren grauen Kopf am Fenster. Sie wusste, dass wir da waren, doch sie kam nie herunter. Ich sah ihren Blick. Er war nachsichtig und freundlich. Andere Kinder kamen nie hierher zum Spielen, denn sie glaubten fest, Madame Denis sei verrückt und würde sie alle umbringen, sollten sie auch nur einen Fuß in den Garten setzen. Uns war das nur recht, denn so hatten wir unsere Ruhe. Anfangs sah ich noch, wie Robert gelegentlich besorgte Blicke auf das dunkle Haus warf, doch als nichts geschah, schien er das Gerede der anderen Kinder zu vergessen.
    Ich glaube nicht, dass Madame Denis wirklich verrückt war. Ich hatte begriffen, dass Menschen meistens dann als verrückt bezeichnet wurden, wenn sie anders waren, wenn sie ihren eigenen Weg gingen und sich nicht den Regeln der Allgemeinheit beugten. Unter diesen Gesichtspunkten wäre ich mit Freuden verrückt.
    Robert und ich bauten Hütten und Mauern, Straßen und Unterschlupfe. Der umgestürzte Pflaumenbaum war die Grenze, die kein Rächer je freiwillig überquerte, denn dahinter lag der Bach, der sie mit ihren Steinherzen alle verschlingen würde. Für uns war der Bach natürlich kein Problem. Robert musste nur einen großen Schritt machen, um ihn zu überqueren. Und ich, ich flog fröhlich in seinem Arm mit hinüber.
    Wenn der Abend dämmerte und die Sonne hinter dem Haus verschwand, machten wir uns auf den Heimweg. Es war nicht weit, zehn Minuten vielleicht, die Robert meist hüpfend zurücklegte. Zwei Beine – hops – linkes Bein hops – zwei Beine – hops – rechtes Bein – hops – zwei Beine – hops und so fort. Ich wurde dabei kräftig durchgeschüttelt, aber was macht schon ein bisschen Schüttelei, wenn man glücklich ist?
    Ich hatte mich in den Bouviers nicht getäuscht. Sie waren mir eine gute Familie, denn sie waren gut zueinander. Die Unannehmlichkeiten der Jahre nach den Browns verblassten zusehends.
    Die Wohnung in der Rue Bobillot war klein, doch Nadine hatte sich bemüht, sie gemütlich einzurichten. Wenn ich an das Haus der Browns dachte, war ich fast ein wenig beschämt. Allein der Damensalon, den Emily so gut wie nie genutzt hatte, war größer gewesen, als Salle und Küche der Bouviers zusammen. Und dennoch fühlte ich mich dort auf Anhieb wohl. Vermutlich lag das nicht so sehr an den geblümten Vorhängen, an dem kleinen Kanapee oder den vielen Fotografien, die liebevoll gerahmt die Wand über dem Kamin zierten, sondern eher an der Atmosphäre, denn Nadine und Nicolas liebten sich.
    Emily und Victor hatten sich auch

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