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Die unglaubliche Geschichte des Henry N. Brown (German Edition)

Die unglaubliche Geschichte des Henry N. Brown (German Edition)

Titel: Die unglaubliche Geschichte des Henry N. Brown (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Helene Bubenzer
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geliebt, das weiß ich genau, aber es war eher eine sachliche Angelegenheit gewesen – ganz ihrem Status entsprechend. Hatte Victor gesagt: »Darf ich dir meinen Arm anbieten, Liebes«, sagte Nicolas: »Und wenn du nicht mehr laufen könntest, ich trüge dich bis ans Ende der Welt.«
    Der Alltag der Bouviers war von der schweren Arbeit im Laden geprägt. Ihnen fiel nichts in den Schoß, doch sie klagten nicht. Ob es regnete oder stürmte, Nicolas kämpfte sich noch vor dem ersten Hahnenschrei aus dem Bett, um zum Großmarkt zu gehen. Und während er mit halb geschlossenen Augen am Waschbecken in der Küche stand und sich die Zähne putzte, sich mit einer Hand am Po kratzte und vielleicht vergaß, sich den Schaum vom Mund abzuwischen, stand Nadine in Nachthemd und auf dicken Wollsocken am Gasherd und bereitete eine Thermoskanne mit Kaffee vor. Sie legte ihrem Mann ein Stück Baguette mit gesalzener Butter hin, strich ihm übers Haar, sagte: »Ich liebe dich« und wischte den Zahnpastarest aus seinem Mundwinkel.
    »Ich dich auch, Princesse«, sagte er dann. »Leg dich noch ein bisschen hin.«
    Das tat sie auch, aber nur noch eine Stunde, dann stand auch sie auf und erledigte den Haushalt, kochte das Essen für den Tag vor, räumte und putzte und war rosig und wach, wenn sie vorsichtig Roberts Nase küsste und sagte:
    »Aufwachen, Schlafmütze! Abenteuer warten nicht.«
    Dann zog sie sanft, aber bestimmt die Decke zurück, während er mich fest an sich drückte und verschlafen murmelte, es sei doch noch mitten in der Nacht.
    Es war schön. Einfach, aber schön. Und ich wusste, ich war am richtigen Ort.
    Um acht Uhr ging Nadine in den kleinen Laden an der Place d’Italie, wo Nicolas meist schon dabei war, unter ohrenbetäubendem Scheppern die metallenen Rollläden vor dem Schaufenster hochzuschieben. Dann baute er die Auslagen auf und stapelte liebevoll Äpfel und Birnen, Kohl und Salat, Zwiebeln und Kartoffeln. Wenn alles ordentlich drapiert war, ging er hinein, zählte sein Wechselgeld in die Kasse und kochte sich eine Tasse starken Kaffee, dessen Duft allein Tote wecken konnte.
    Nadine und ich brachten Robert zur Schule. Der Abschied fiel jeden Morgen gleich schwer. Mit hinein durfte ich nicht, da dem kleinen Träumer sonst Stockschläge auf die Handflächen drohten. Das hatte er einmal erlitten, und das war genug. Mit gesenktem Kopf stand er vor uns, und anfangs musste er sich mannhaft die Tränen verbeißen, wenn er mich feierlich an Nadine überreichte.
    »Pass gut auf Doudou auf, Maman«, sagte er.
    »Wird gemacht«, antworte sie und lächelte ihren Sohn an. »Und jetzt ab mit dir!«
    Sei nicht traurig. Es sind nur ein paar Stunden!
    Wenn wir ihn an der Stätte der Bildung abgeliefert hatten, gingen wir zurück in den Laden. Nadine setzte mich neben die Kasse, und dort wartete ich, bis Robert, kaum dass die letzte Stunde vorbei war, angaloppiert kam, als seien ganze Horden Rächer hinter ihm her. Wenn er dann in der Ladentür sein Pferd zügelte und »Ho, Brauner, ho« sagte und sich lässig aus dem Sattel schwang, um seinen Freund und Begleiter Doudou abzuholen, schien die Welt mehr als in Ordnung.
    Doch Nadine schien Roberts Entwicklung zu bekümmern. Er wollte nie mit anderen Kindern spielen. Er war zufrieden mit mir und Prinzessin Zazie. Er wollte keine neuen Spielsachen und keine Süßigkeiten. Er wollte einfach nur spielen und Geschichten hören, und als der Lehrer, Monsieur Trinac, ihn lange genug mit Schlägen gequält und Robert zunächst widerwillig lesen gelernt hatte, wollte er Bücher. Sonst nichts.
    Eines Morgens standen Nicolas und Nadine vor dem Laden. Nadine polierte Äpfel und Nicolas fegte Salatblätter zusammen, die Sonne war gerade über die Häuser geklettert und schickte erste warme Frühlingsstrahlen durch die Straße.
    Nadine hielt inne, stellte sich neben ihren Mann und legte einen Arm um seine Hüfte.
    » Chéri«, sagte sie, »ich mache mir Sorgen um Robert. Er ist ein Träumer. Das hat er von dir.«
    »Was ist daran verkehrt?«, erwiderte Nicolas und drückte sie vorsichtig. »Du liebst einen Träumer. Und ich habe es sogar geschafft, das Herz der schönsten Prinzessin der Welt zu erobern!«
    Nadine musste lachen. Ihr herrlich sanfter Mund öffnete sich, ihre braunen Augen verengten sich zu leuchtenden Schlitzen und auf ihre Wangen bildeten sich kleine Grübchen.
    »Schmeichler«, sagte sie und boxte ihren Mann in die Seite. »Ich finde, er denkt sich zu viele Geschichten aus.

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