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Die unglaubliche Geschichte des Henry N. Brown (German Edition)

Die unglaubliche Geschichte des Henry N. Brown (German Edition)

Titel: Die unglaubliche Geschichte des Henry N. Brown (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Helene Bubenzer
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es sie nie gegeben?«
    Franziska schaute betrübt zu Boden.
    »Nein«, sagte sie leise. »Aber, wenn wir sie nun nicht finden …«
    »Dann haben wir es wenigstens versucht«, erwiderte Fritzi.
    Sie hatte entschieden, nicht aufzugeben, und das war eine Haltung, der ich mich mit Freuden anschloss. Wir würden Marlene und Charlotte wiederfinden. Irgendwie und irgendwo. Es war beschlossene Sache. Die Unterlagen wurden nach München geschickt.
    Doch es kam keine Antwort.
    Eine Woche verging, dann zwei, dann ein Monat. Sie fanden einfache Erklärungen: Sicher hat die Post gebummelt, sicher ist der Suchdienst völlig überlastet, vielleicht ist der Brief verloren gegangen. Habt ihr denn auch wirklich den Absender richtig draufgeschrieben? Marga Möhrchen kam jeden Tag herüber:
    »Habt ihr was gehört?«, fragte sie immer. Und wenn wieder alle stumm den Kopf schüttelten, sagte sie: »Es wird schon gut gehen, ihr werdet sehen.«
    Dieser Satz wurde wie ein Zauberspruch. »Es wird schon gut gehen, ihr werdet sehen.«
    Ich wollte ihr so gerne glauben, vielleicht mehr als alle anderen.
    Und während wir warteten, Monat für Monat, ging das Leben weiter.
    Onkel Albert bekam Rheuma. Eines Morgens kam er nicht mehr aus dem Bett. Er weigerte sich, einen Arzt kommen zu lassen. Als Viktorias Hausmittel allesamt versagten, ging sie schließlich hinüber zu Caspar Wippchen und bat ihn um Hilfe. Dank seines Ratschlags schaffte Albert es wenigstens, wieder aufzustehen, auch wenn die Schmerzen blieben. Doch was für ein Doktor Wippchen war, hatte Viktoria noch immer nicht erfahren.
    Fritzi überfuhr mit dem Roller Bella beinahe einen Polizisten, der ihr seither gelegentlich Blumen und nette Karten schickte. Er lud sie ins Kino ein und schaute mit ihr Casablanca, er führte sie aus in die Milchbar, die in der Stadt eröffnet hatte. Fritzi nahm seine Einladungen an, doch den Heiratsantrag, den er ihr bei einer Ruderpartie machte, lehnte sie ab.
    Franziska musste neben Schreibmaschineschreiben nun auch noch Stenografie lernen, wobei ich bis heute nicht begriffen habe, was das eigentlich ist. Es muss etwas Schreckliches sein, denn sie fluchte ganz fürchterlich darüber.
    Melanie nahm schon seit Jahren bei Frau Finster Klavierunterricht und stellte sich inzwischen richtig geschickt an. Sie entwickelte eine Vorliebe für Mendelssohn und Beethoven. Wie besessen übte sie die Waldsteinsonate und geriet jedes Mal in Rage, wenn Fritzi sie aufzog und nach ihren Fortschritten mit der Wildschweinsonate fragte.
    Marga Möhrchen und Viktoria hatten eine Auseinandersetzung über das sachgemäße Putzen von Fensterscheiben, die darin gipfelte, dass sie drei Tage nicht miteinander sprachen.
    Und schließlich – das war am Schlimmsten – stand Julchens Abreise zur Hauswirtschaftsschule bevor. Ein Tag, dem ich mit Wehmut entgegensah.
    Es ist mir ehrlich gesagt ein wenig unangenehm, und lange war es mir auch peinlich, doch jetzt nach all den Jahren kann ich es wohl zugeben, ohne rot zu werden: Ich glaube, ich war in Julchen verliebt. Sie strahlte so viel Leichtigkeit und Lebenslust aus. Ihr hatte sich die Schwere des Krieges nicht so tief eingegraben wie den anderen. Sie war neugierig und wollte die Welt erobern. Um Regeln und Konventionen kümmerte sie sich dabei nicht. Sie schwang frech ihren Pferdeschwanz, lachte, dass ihre weißen Zähne nur so blitzten, und überging alle Einwände und Sorgen.
    Der Gegensatz zwischen Julchen und Melanie war mit den Jahren immer größer geworden. Julchen sog alles, was die Welt ihr zu bieten hatte, in vollen Zügen auf und konnte nicht genug kriegen von Musik und Kinofilmen und Mode. Melanie hingegen war auf ihre eigentümlich in sich gekehrte Art zufrieden.
    »Sie ist eben nicht so gesprächig«, sagte Franziska, als sich eine Lehrerin am Telefon über Melanies mangelnde Beteiligung am Unterricht beschwerte. »Seien Sie doch froh, dass sie nicht stört.«
    Damit war das Thema für sie erledigt. Melanie war nicht dumm, das bewiesen ihre schriftlichen Noten, es gab also nichts zu diskutieren. Sie war nur gern allein.
    Oft sah ich sehnsuchtsvoll hinterher, wenn Julchen mit unbeschwerten Hüpfern Caspar Wippchen einen Besuch abstattete, während ich an Melanies einsame Stille gekettet war. Ich war frustriert.
    Warum gehst du nicht mit? Lass uns doch auch mal einen Besuch machen!
    Doch wir blieben auf unserer Seite der Hecke.
    Weißt du, mir wäre es am liebsten, mein Arm fiele einfach ab. Sicher würdest du nicht mal

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