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Die Unseligen: Thriller (German Edition)

Die Unseligen: Thriller (German Edition)

Titel: Die Unseligen: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aurélien Molas
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und suchte nach Worten.
    »Wir sind Ärzte, Benjamin«, fuhr er versöhnlich fort. »Wir sind weder Polizisten noch Detektive.«
    »Ja und?! Was soll ich tun?«
    »Warten.«
    Er legte die Hand auf die Schulter seines Freundes. So verharrten sie eine ganze Weile.
    Draußen zerfetzten große Hunde ein Autowrack, sie bissen auf den Reifen herum und rissen mit den Fangzähnen den Schaumstoff aus den Bänken heraus. Die Not hatte sie zu halb wahnsinnigen Allesfressern gemacht, diese Hunde kläfften ohne Grund und ohne Freude.

Goodbye Babylonia
    »Man muss bereit sein, sich der Angst in der gleichen Weise
zu stellen wie dem Tod, der wahre Mut liegt in dieser Bereitschaft.«
    Georges Bernanos, Les Dialogues des Carmélites

113
    Megan betätigte die Kupplung und trat das Gaspedal durch. Die Dieseldämpfe und das Prasseln der Kieselsteine, die gegen die Scheiben geschleudert wurden, sorgten dafür, dass sie sehr wachsam blieb.
    Beschienen vom Mond, fuhr der Geländewagen durch eine sich schier endlos erstreckende urwüchsige Landschaft von wilder Harmonie.
    Nachtfalter prallten gegen die Windschutzscheibe und türmten sich zu einer wogenden Hülle auf, die von den Scheibenwischern mit einem Geräusch wie von zerbröselnden Keksen zerschnitten wurde. Von den Scheinwerfern überrascht, erstarrten Zwergantilopen im hohen Gras zu Schattenfiguren und stoben dann jäh in der Finsternis auseinander. Kein einziges Dorf, keine menschliche Spur im Umkreis von x Kilometern.
    Nichts als das Sternenzelt und der halbkreisförmige Horizont. Sogar die Piste aus gestampfter Erde schien nicht den Schweiß von Arbeitern oder Zwangsarbeitern gekannt zu haben, die gezwungen gewesen wären, Hindernisse zu beseitigen und den Staub festzuklopfen.
    Auf dem Beifahrersitz ruhte sich Henry Okah aus, sein Kopf wackelte hin und her und schlug gegen die Tür, als würde sein Nacken, befreit von allen Spannungen, das Gewicht seines Schädels nicht mehr tragen können.
    Megan fragte sich, ob sie dadurch, dass sie akzeptiert hatte, sich ans Steuer zu setzen, das bittere Ende nur hinausgezögert hatte. Würde er sie umbringen, sobald er Naïs gefunden hatte? Wahrscheinlich.
    Sie blickte in den Rückspiegel, wo sie jedoch nicht die erhofften Blaulichter sah, sondern nur die Dunkelheit und die Sterne, die so tief am Himmel standen, dass sie glaubte, sie müsste nur die Hand ausstrecken, um sie zu pflücken. Es kam ihr vor, als hätte sie zwischen Chicago und diesem unermesslichen Nirgendwo mehrere Leben durchstreift, aber keines gelebt.

114
    Nach einer Kurve blinzelte Megan, überzeugt davon, ein Trugbild zu sehen.
    Zwischen den dunklen Massen der Hügel erhob sich eine orangefarbene Kuppel am Horizont, und rötliche Leuchtfäden schwebten ringsherum, um sich unvermittelt zu langen Spiralen zu vereinigen. Der Geländewagen bremste ab, als er sich diesem Nordlicht näherte.
    Henry Okah richtete sich auf, streckte sein Bein und biss dabei die Zähne zusammen. Seine blutverschmierten Handflächen wischte er am Sitz ab.
    »Schalten Sie die Scheinwerfer aus«, befahl er.
    Megan gehorchte, und der Lichthof am Ende der Piste leuchtete stärker. Er war mittlerweile so rot, dass sie erahnte, was es war.
    »Stellen Sie das Auto am Straßenrand ab.«
    Sie waren weniger als hundert Meter von dem Feuer entfernt, als sie die Türen öffneten. Megan stapfte durch das hohe Gras. Okah ging hinter ihr und hielt das Gewehr auf ihren Rücken gerichtet. Ascheflocken gingen auf den nackten Armen der Krankenschwester nieder und hinterließen dort graue Spuren. Von ihrem Beobachtungsposten aus sahen sie, wie die Feuersbrunst die katholische Missionsstation verwüstete. Das Gebäude ging auf einen großen Hof, in dessen Mitte ein riesiges Kreuz brannte. Dort loderte das Flammenmeer. Funken stoben über Strohdächern empor, angesaugt von den heißen Luftströmungen, ehe sie im Himmel erloschen und träge auf die umliegende Wüste herabfielen. Die Flammen schlugen aus den Fenstern des südlichen Flügels, umrankten den Kirchturm und fielen über das her, was von der Kirche noch übrig war.
    Raffiniert, dachte Okah. Indem Umaru die Missionsstation in Brand steckte, kaschierte er den Angriff. Alle würden an eine weitere Vergeltungsaktion zwischen Christen und Muslimen glauben. Weder die Presse noch die Polizei würde es genauer wissen wollen.
    Mit den Augen suchte er die Savanne nach einem Lebenszeichen ab. Abgesehen von dem rasenden Tanz der Flammen, regte sich nichts. Im Hof der

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