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Die Unseligen: Thriller (German Edition)

Die Unseligen: Thriller (German Edition)

Titel: Die Unseligen: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aurélien Molas
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Missionsstation schien keine Leiche zu liegen, es gab keine Hinweise auf eine Exekution.
    Er nahm sein Satellitentelefon heraus und wählte die Nummer seines Anwalts. Das Rauschen in der Leitung überdeckte das ferne Prasseln des Holzes und das Heulen der Fackeln.
    »Ich bin’s. Es läuft nicht wie geplant.«
    Er hörte das Echo seiner eigenen Stimme, dann eine Stille, die durch einen Atemzug gestört wurde.
    » Hast du Aduasanbi entwischen lassen?«
    »Nein, ich habe ihn getötet. Aber das Mädchen habe ich nicht. Umaru Atocha und seine Männer sind mir zuvorgekommen.«
    »Aber wie war das möglich?«
    »Das ist nicht die Frage.« Seine Stimme wurde härter. »Die Polizei soll auf sämtlichen Straßen nördlich von Baganako Straßensperren errichten, für den Fall, dass ich sie nicht einhole.«
    »Die Polizei ist überfordert mit … «
    »Das ist nicht mein Problem«, schnitt er ihm das Wort ab. »Sag ihnen einfach, dass ihnen nichts anderes übrig bleibt, wenn sie Naïs wiederhaben wollen.«
    Er legte auf und betrachtete die Ebene. Umaru hatte genug Zeit gehabt, um zu fliehen, aber nicht weit genug, um ihm zu entwischen. Wenn die Polizei so reagierte, wie er hoffte, würde er noch vor dem Morgengrauen sein Magazin in den Körper des weißen Negers entleeren. Er warf einen Blick auf die Krankenschwester, die in der Dunkelheit fröstelte. Auch sie würde den Tagesanbruch nicht erleben.
    »Los!«
    Megan schloss die Augen und hielt den Wunsch zurück, einfach davonzulaufen, bis sie außer Atem wäre, vor Erschöpfung zusammenbräche oder durch eine Schrotkugel getötet würde. Okah packte sie am Handgelenk und zog sie zum Wagen, wobei er ihr den Lauf des Gewehrs gegen die Hüfte drückte. Sie ließ es geschehen. Die Drohung war unnötig, denn die Angst lastete schwer auf ihren Muskeln und raubte ihr alle Kräfte.
    Sie setzte sich ans Steuer und schnallte sich an. Ihre Bewegungen wirkten wie unwillkürliche Reflexe. Sie heftete ihren Blick auf die Piste und fragte sich, wann diese Nacht zu Ende ginge, während in der Ferne das brennende Kreuz noch immer die nächtliche Landschaft erhellte. Sie drehte den Zündschlüssel, und die bläulichen Lichtkegel der Xenonscheinwerfer schnitten tief in die Finsternis.
    Ihr Herz hüpfte in der Brust.
    Zwei flüchtige Schatten hatten gerade ihr Blickfeld durchquert.
    Für Tiere waren sie zu groß.
    Für eine bloße Sinnestäuschung waren sie zu langsam.
    Auch Okah hatte sie gesehen oder, genauer gesagt, gewittert , ehe das bläuliche Scheinwerferlicht ihre Bewegungen verraten hatte. Er schluckte ein wenig Speichel und lud sein Gewehr.
    »Fahren Sie los!«, schrie er.

115
    Megan kam nicht dazu, den Gang einzulegen. Fünf knallrote Lichtfäden kreuzten sich bei den Beifahrersitzen und ließen das Verbundglas der Windschutzscheibe hell aufleuchten. Vom Wind aufgewirbelte Staubkörnchen enthüllten Laserstrahlen, zwirndünne Lichtlinien in der klaren Luft der Savanne, und am Ende jedes Glühfadens sah man eine menschliche Silhouette, die kaum von einem Busch zu unterscheiden war.
    Das fahle Mondlicht schimmerte auf den Waffen, nichts rührte sich. Die Natur und die Menschen waren erstarrt, eingelullt von dem Surren des Motors im Leerlauf, von dem leisen Säuseln des Windes in den Gräsern.
    Weiße Lichter am Ende der Piste wurden allmählich größer. Sie flackerten, durchgerüttelt von Unebenheiten in der Piste, und fuhren an der brennenden Kirche vorbei. Die dunklen Umrisse der drei Pick-ups schimmerten rötlich im Widerschein des Feuers. Irgendwo in der Ebene flog ein Vogelschwarm auf und wurde sofort von der Nacht verschluckt.
    Henry Okah schwieg. Je näher die Fahrzeuge kamen, umso tiefer wurde der Abgrund in seiner Brust, den die Bitterkeit grub. Wie früher, als er in den Augen seines Vaters diese seltsame Mischung von bedingungsloser Liebe und Traurigkeit erblickt hatte.
    Die Pick-ups reihten sich nebeneinander auf, und die Männer auf den Rückbänken stützten sich auf die Dächer der Fahrerhäuser, um auf den Geländewagen zu zielen. Die roten Strahlen der Laserzielgeräte kreuzten sich in der Luft in einer langsamen und unheilvollen Choreografie. In der Ferne war das Kreuz völlig heruntergebrannt.
    Megan glaubte, ihnen komme ein Gespenst entgegen.
    Umaru Atocha schlug die Tür zu und ging zwischen seinen Männern hindurch bis zur Motorhaube des Geländewagens.
    »Steig aus, Henry. Bringen wir es hinter uns.«

116
    Der Anblick der Waffen erschreckte Megan zu Tode, und sie

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