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Die Unseligen: Thriller (German Edition)

Die Unseligen: Thriller (German Edition)

Titel: Die Unseligen: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aurélien Molas
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durchrieselte sie. Sie hatte sich also nicht verkalkuliert, als sie genau diesen Tag ausgewählt hatte, um ihren Plan in die Tat umzusetzen. Der Markttag, der einzige Tag der Woche, an dem die Prostituierte, die als Mädchen für alles diente, das Haus verlassen durfte. Trotzdem spürte sie einen Anflug von Angst. Ihr Plan war weder besonders raffiniert noch risikolos. Tatsächlich hatte er für sie sogar etwas von einem Mikadospiel, einem instabilen Gewirr von Stäbchen, und wenn sie nicht geschickt genug wäre, um den richtigen Moment und die richtige Person auszuwählen, würde das ganze Vorhaben scheitern.
    »Sie haben mir nicht gesagt, wie Sie heißen«, sagte sie, während sie einen Müllsack aufhob.
    »Amelie.« Die junge Frau blieb stehen und sah ihr dabei zu, wie sie die Aschenbecher in den Sack leerte. »Warum willst du das wissen?«
    »Nur so.«
    »Niemand will einfach nur so etwas wissen.«
    Megan ignorierte die Bemerkung und half ihr weiter beim Aufräumen. Draußen wurde ein Gettoblaster lauter gestellt, und Dr Dre, Ice Cube und N.W.A. stimmten Dope Man an.
    »Ihre Nase … «, sagte sie, während sie auf Amelie zuging. »Haben Sie einen Arzt aufgesucht?«
    »Einen Arzt?« Sie verzog das Gesicht. »Die Ärzte hier behandeln Leute wie mich nicht.«
    Megan trat an sie heran.
    »Darf ich mir das mal ansehen, Amelie?«
    Die Frau zuckte zusammen, als sie ihren Vornamen hörte, aber sie ließ Megan ihre Backenknochen abtasten und die leichte Verkrümmung der Nasenhöhle überprüfen.
    »Das muss desinfiziert werden. Kommen Sie mit.«
    Sie ging vor ihr her ins Badezimmer, forderte sie auf, sich aufs Klosettbecken zu setzen, und leerte den Inhalt einer der Schubladen ins Waschbecken. Zwischen den Spritzen und Kondomverpackungen fand sie eine Schachtel Kleenex und eine Flasche Eosin. Sie tränkte ein Taschentuch mit dem Desinfektionsmittel und tupfte die Wunde behutsam ab.
    »Ich möchte Sie um einen Gefallen bitten, Amelie … «
    Die Prostituierte kicherte kurz.
    »Das musste ja mal kommen … « Sie starrte Megan in die Augen. »Wenn du so viele Nummern geschoben und so vielen Freiern für fünf Dollar einen geblasen hast wie ich, weißt du schließlich, wie das auf dieser Erde läuft. Ich nehme dir das nicht übel, du hast recht, es zu versuchen. Also sag schon, was du von mir erwartest.«
    Megan hatte das Gefühl, schon einmal Lebensweisheiten einer philosophierenden Hure gehört zu haben. Aber sie erinnerte sich nicht mehr, ob sie Derartiges in einem Roman gelesen oder in der Notaufnahme von Sexarbeiterinnen gehört hatte, als diese in aller Herrgottsfrühe auf Krankentragen eingeliefert worden waren.
    »Da Sie rausgehen, um einzukaufen«, hob sie mit leiser Stimme an, »möchte ich Sie bitten, eine Nachricht für mich zu überbringen.«
    »Was für eine Nachricht?«
    »Sagen Sie der Polizei, sie sollte in den kommenden Stunden die neu aufgenommenen Patienten in den Krankenhäusern der Stadt überwachen.«
    Die beiden Frauen musterten sich schweigend.
    »Das kann ich nicht, meine Hübsche … «
    »Das ist alles, worum ich Sie bitte … «
    »Hast du nicht kapiert?«, unterbrach sie die Prostituierte mit leiser Stimme. »Wenn ich die Polizei verständige, wenn ich ihnen diese Nachricht überbringe, dann werde ich sterben.«
    »Glauben Sie mir, die werden Sie beschützen.«
    »Mich beschützen? Die Bullen werden schnurstracks hierherkommen … « Sie legte ihre Hand auf Megans Handgelenk. »Du weißt genauso gut wie ich, was passieren wird. Du weißt es, nicht wahr?«
    Megan öffnete den Mund, aber es kam kein Ton heraus. Die Frau stand auf und drückte noch immer Megans Handgelenk.
    »Gib’s auf, meine Hübsche, das kann ich nicht tun.«
    Megan sah ihr nach, wie sie sich entfernte; es überraschte sie kaum, dass ihr Kartenhaus auf diese Weise einstürzte. Hoffnungen sind manchmal kurzlebig. Sie hatte gewettet und verloren. Merkwürdigerweise war sie darüber erleichtert, als müsste man in diesem Misserfolg einen Wink des Schicksals sehen.
    Als sie wieder allein im Bad war, setzte sie sich auf den Rand der Duschwanne und massierte sich das Bein.
    »Hat’s nicht geklappt?«
    Sie sah zu Pater David auf, der in der Tür stand, und lächelte ihn traurig an.
    »Nein«, flüsterte sie.
    Der Priester ging auf sie zu und drückte ihr sanft die Schulter.
    »Machst du mir ein bisschen Platz?«
    Er setzte sich neben sie.
    »Und was willst du jetzt tun?«, fragte er.
    Sie starrte auf das Dachfenster und spürte ein

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