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Die Unseligen: Thriller (German Edition)

Die Unseligen: Thriller (German Edition)

Titel: Die Unseligen: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aurélien Molas
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stöhnte auf, ihr Bauch zog sich ein, und ihr ganzer Oberkörper wand sich in Krämpfen. Speichel und Reste von Plumpy’Nut quollen aus ihrem Mund auf das Laken.
    »Selbst wenn wir Aktivkohle finden«, fuhr Megan fort, »braucht sie eine Magenspülung! Und das geht nur in einem Krankenhaus!«
    Umaru legte das Mädchen auf die Seite, damit es nicht erstickte. Wieder steckte er seinen Zeigefinger in den Mund von Naïs, und dem Mädchen entrang sich ein dumpfes Wimmern, ehe es sich erneut übergab.
    »Eine Magenspülung«, sagte Umaru und wandte sich an Megan, »haben Sie das schon mal gemacht?«
    »Ja … «
    »Dann tun Sie es.«
    »Sie verstehen nicht.« Megan wich zurück und stieß gegen den Nachttisch. »Eine Chininvergiftung wird sie umbringen! In weniger als achtundvierzig Stunden wird sie eine künstliche Beatmung, eine Volumensubstitution und eine intravenöse Infusion von Thiopental-Natrium brauchen.«
    »Sie kann nicht ins Krankenhaus.«
    »Wenn Sie wollen, dass sie am Leben bleibt, muss sie.«
    Megan spürte, wie ihre Stimme schwächer wurde. Sie hatte diesen Plan ausgeheckt, ohne in Betracht zu ziehen, dass er für das Mädchen tödlich enden könnte. Als sie sah, wie sich die Kleine vor Schmerzen wand, überkamen sie plötzlich schreckliche Gewissensqualen.
    Umaru Atocha stand auf und blieb wie angewurzelt vor dem Bett stehen; er zitterte vor Angst und Wut. Dann drehte er sich um und warf das Medikament aus dem Fenster. Der rötliche Schein der Morgendämmerung überflutete das Zimmer. Umaru stürzte sich auf den Priester und drückte ihn gegen die Scheibe.
    »Ich sollte Sie dafür umbringen, dass Sie diese Flasche nicht sicher verwahrt haben … «
    Pater David zuckte nicht mit der Wimper.
    Umaru schloss die Faust und ließ die Anspannung aus seinem Körper entweichen.
    »Wie lange dauert es, bis sie wirklich in Gefahr ist?«
    »Einige Stunden … «
    »Tun Sie bis dahin alles Notwendige«, sagte er, worauf er aus dem Zimmer eilte.
    Megan und Pater David wechselten einen Blick, aber keinem von beiden war zum Lachen zumute. Die junge Frau betrachtete die Farben der Morgenröte und fragte sich, ob ihr Plan eine – wenn auch nur verschwindend kleine – Chance hatte, reibungslos über die Bühne zu gehen.
    Wie eine düstere Prophezeiung riefen ihr die Schluchzer von Naïs in Erinnerung, dass, sollte das Mädchen durch ihre Schuld sterben, sie und der Priester ihr umgehend ins Grab folgen würden.

132
    »Einladend … «, sagte Jacques, als er sich umsah.
    Das Industriegebiet war menschenleer und schien es schon immer gewesen zu sein. Lagerhallen mit ausgeblichenen Graffiti säumten eine Straße, die so breit wie eine Landebahn war. Zerbrochene Fliesen übersäten die Fahrbahn, vom Wind herbeigewehte welke Blätter und Abfälle häuften sich unter den wenigen Fahrzeugen an, die hier parkten. Ein diesiges graues Licht betonte das trostlose Aussehen des Niemandslandes, das sich zwischen dem Gehsteig und einem roten Backsteinbau erstreckte.
    Die beiden Ärzte durchquerten das hohe Gras, in dem die Überreste eines Kinderkarussells verrotteten, und blieben vor dem Gebäude stehen. Die Eingangstür war herausgerissen worden und lag etwa zehn Meter weit weg, als hätte man versucht, sie mit einer Granate herauszusprengen.
    »Scheint, als hätte der unabhängige Journalismus einen Preis«, sagte Benjamin, als er das Stockwerk betrachtete, in dem sich die Räumlichkeiten der Free Delta News befinden sollten.
    Gestank – eine Mischung aus trockener Erde und Urin – erfüllte das Treppenhaus. Ein schlichter Vorhang trennte den Treppenabsatz von den Redaktionsräumen der Zeitung.
    »Glaubst du, dass sie diesen Zirkus hier veranstalten, weil sie unbedingt auffallen wollen?«, flüsterte Benjamin, als er den Raum betrat.
    »Glauben Sie mir, wenn wir könnten, würden wir nicht unter diesen Bedingungen arbeiten«, sagte eine Stimme hinter ihnen.
    Ein etwa dreißigjähriger Mann mit dichtem Bart saß auf den Stufen und rauchte einen Zigarillo. Er trug schlichte rote Shorts und ein schwarzes T-Shirt mit der Aufschrift » TOSTAKY «.
    »Aber dieses Gebäude hat eine Geschichte, und auch aus diesem Grund bleiben wir hier. Hier befand sich das Hauptquartier der Mosop.« Lächelnd fuhr er fort: »Der Bewegung für das Überleben des Ogoni-Volkes.« Der Mann trat den Zigarillo mit seinem Schuh aus und stand auf.
    »Die Mosop ist eine Art Vorläufer der MEND , allerdings waren die Mosop-Anhänger friedlich.« Er ging eine

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