Die Unseligen: Thriller (German Edition)
riskieren, die nigerianischen Behörden gegen sich aufzubringen.«
»Die MEND ?«, fragte der Priester. »Sie haben einen Zusammenhang mit der Geiselnahme hergestellt?«
»Ich kann Ihnen nicht folgen … welchen Zusammenhang?«
»Den zwischen Pater David und der Revolution.«
Benjamin starrte ihn mit gerunzelter Stirn an.
»Wovon reden Sie?«
»Ich habe schon zu viel gesagt, haben Sie bitte Verständnis …«, sagte der Priester verlegen.
»Wir sitzen im selben Boot, Pater. Da haben wir doch auch einen Anspruch darauf, zu erfahren, warum es sinkt, oder?«
Pater Jean zögerte, sein Blick wanderte von Benjamin zu Jacques und dann wieder zurück zu Benjamin.
»Sie haben zweifellos recht … « Er zog an seiner Zigarette und drückte sie halb heruntergebrannt aus. »Sie müssen wissen – das ist wichtig – , dass Pater David ein roter Priester ist. Er ist überzeugt davon, dass die sozialistische Revolution für den Menschen der einzige Weg zum irdischen Heil ist. Bis zum Jahr 2004 leitete er ein Waisenhaus in der Region Owerri … «
»Die Petits Frères du Peuple, oder? Man hat ihnen Misshandlungen vorgeworfen … «
»Moment, Moment, Sie überspringen da eine Etappe.« Er öffnete die Hände, wie wenn er Ordnung in seine Erinnerungen bringen wollte. »Pater David war der Direktor der Anstalt, als er uns eine Reihe ärztlicher Dokumente, die ein medizinisches Wunder bescheinigten, zukommen ließ. Er hat uns geschrieben, einer der Zöglinge des Waisenhauses, ein Mädchen … «
»Würde nicht altern?«
»Ja, er hat uns auch gebeten, zu helfen, dieses Kind nach Europa in Sicherheit zu bringen und ihm eine europäische Staatsbürgerschaft zu verschaffen. Aber die Untersuchungskommission des Vatikans kam nach gründlicher Prüfung dieser Unterlagen zu dem Ergebnis, es sei nicht zweifelsfrei erwiesen, dass Pater David die Wahrheit gesagt hat. Er konnte die Geburtsurkunde des Mädchens nicht vorlegen.«
»Woher wusste er dann, dass sie nicht altert?«
»Ein DNA -Test … Er hat diesen Test in Lagos gemacht, um zu beweisen, dass er der Erzeuger des Mädchens ist.«
Als der Priester das Erstaunen auf ihren Gesichtern las, lächelte er sie verlegen an.
»Und er hat gestanden, dass er vor etwa zehn Jahren mit der Mutter dieses Mädchens geschlafen hat. Sie können sich denken, dass die Kommission, als sie dies erfuhr, die Akte sehr schnell geschlossen und begraben hat. Alle haben gedacht, dass er seine Tochter nach Europa bringen wollte, indem er diese Geschichte erfand.« Er verstummte, um seinen rasselnden Lungen eine kurze Erholungspause zu gönnen. »Entschuldigen Sie … Weniger als zwei Monate später hat ein ehemaliger Zögling Pater David und die anderen Priester angezeigt.«
»Aus diesem Grund hat die Regierung also das Waisenhaus dichtgemacht, oder täusche ich mich?«
»Nein, das stimmt. Das war eine schwierige Zeit, insbesondere für Pater David. Er hat immer beteuert, unschuldig zu sein und niemals ein Kind geschlagen zu haben.«
»Und glauben Sie ihm?«, schaltete sich Benjamin ein.
Die Frage schien den Priester aus der Fassung zu bringen. Sein Gesichtsausdruck wurde weicher.
»O ja, David war ein freier Geist innerhalb der Kirche. Er war rebellisch, aber auch wenn er seine kleinen Schwächen hatte, war er ein zutiefst redlicher Mensch.«
»Wie erklären Sie sich dann diese Anschuldigungen?«
»Das ist tatsächlich ein Rätsel«, gab er zu. »Nach Aussage von Pater David wollte ihn die nigerianische Regierung loswerden. Zu diesem Zweck hätten sie diesen Skandal frei erfunden. Das Problem ist, dass man nicht recht weiß, wieso sie ihn rausschmeißen wollten. Selbstverständlich hat die Kirche David und die anderen Priester unterstützt, aber niemand hat jemals verstanden, was die Regierung in dieser Angelegenheit gewinnen konnte.«
»Naïs«, erklärte Jacques. »Sie war der Gewinn.«
Der Geistliche drehte sich mit erstaunter Miene zu ihm um.
»Ohne Ihr Urteilsvermögen in Zweifel ziehen zu wollen, Doktor, halten Sie das denn für glaubhaft? Alles nur wegen eines Mädchens?«
»Glauben Sie uns«, beteuerte Jacques, »wir haben mit eigenen Augen gesehen, wozu einige Leute bereit waren, um sie in ihre Gewalt zu bringen.«
Benjamin nickte zustimmend und versuchte, das Gespräch in eine neue Richtung zu lenken:
»Und die Verbindung zur MEND , von der Sie gesprochen haben?«
»Darauf komme ich jetzt. Im Jahr 2005 , nach dieser schmerzlichen Episode, hat David beschlossen, unweit des
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