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Die Unseligen: Thriller (German Edition)

Die Unseligen: Thriller (German Edition)

Titel: Die Unseligen: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aurélien Molas
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drangen unter den Türen durch, klebten an Blättern und Stämmen, verpesteten den Wald und die Lebensmittel und vertrieben alle andersartigen Gerüche.
    In der Nähe des Ankerplatzes der mit Laub getarnten Luftkissenfahrzeuge stakten zwei Jugendliche mit nackten Oberkörpern durch das trübe Wasser; mit gestreckten Armen trugen sie zwei Kisten Dynamit, wobei sie sorgfältig darauf achteten, dass sie nicht nass wurden. Schlüpfende Moskitos zeichneten um sie herum unendlich viele konzentrische Kreise, als würde ein unsichtbarer Nieselregen auf die Lagune niedergehen.
    Umaru ließ seinen Blick weitergleiten, in Richtung Westen, dorthin, wo Dschungel, Sumpf und Nacht zusammentrafen, um nur noch einen Horizont zu bilden, eine einfarbige Dunkelheit, die der blasse Mondschein nicht durchdrang. Die aufgequollene, wallende Vegetation wucherte über die Ufer des Warri-Forcados in den Fluss hinein, wo sich lange Lianen ablösten, in denen sich treibende Baumstämme und Kadaver verfingen. Schon in der Dämmerung zogen Möwen Kreise über dem Geäst wie im offenen Meer über Fischkuttern mit eingezogenen Schleppnetzen.
    Er hasste diese von Gestank und Krankheiten verpesteten Sümpfe, diese fauligen Gewässer, in denen es von Spinnen und Larven wimmelte, er hasste diesen Landstrich mit seiner dichten Vegetation, von der es ständig herabtropfte. Manchmal dachte er daran, einfach abzuhauen, weit, sehr weit wegzulaufen von diesem toten Flussarm, wo alle Ideale im Schlamm versanken. Aber den Untergrund und das Reich der Schatten zu verlassen, wäre wie das Eingeständnis einer Niederlage – und dazu konnte er sich nicht durchringen.
    Aufgrund der grauen Blässe seiner Haut, der furchteinflößenden Röte seiner Augen und seines Monstergesichts würde er niemals in der Namenlosigkeit abtauchen können. Er würde sich vergeblich in den Elendsvierteln verstecken, dort, wo die Not alle Unterschiede verwischte – die Polizei würde ihn aufspüren. Und im Endeffekt hätte er nur einen Dschungel gegen einen anderen eingetauscht.
    Die beiden Jugendlichen kamen, sich gegenseitig anrempelnd, aus dem Wasser und zuckten zusammen, als sie Umaru am Ufer erblickten. Sie beeilten sich, ihn militärisch zu grüßen. Er antwortete ihnen mit einem angedeuteten Kopfnicken und fischte eine neue Kippe aus seiner Schachtel.
    »Herr Major?«
    Er drehte sich zu demjenigen um, der sich ihm von hinten näherte. Sein Untergebener, Forman Stona, trat einen Schritt vor und schlug die Hacken zusammen.
    »Ja, Sergeant?«
    »General Aduasanbi will Sie sprechen. Es geht um die Geiseln.«

18
    Das flaschengrüne Tuch hielt die Hitze im Innern, sodass man das Gefühl hatte, eine Sauna zu betreten. Kein Lüftchen ließ die von der Decke baumelnde Fahne der MEND flattern. Ein auf Holzböcken liegendes Brett war vollgestellt mit Computern und modernstem militärischem Material. In einer Ecke stand ein Notstromaggregat, das permanent surrte. In der gegenüberliegenden Ecke waren sorgfältig zugeklebte und verschnürte Pakete aus braunem Papier zu einer Pyramide gestapelt.
    Auf einem niedrigen kreisrunden Tisch quoll ein Pappkarton über von durchsichtigen Beuteln, ein Kilo weißes Pulver wartete darauf, mit Saccharose verschnitten zu werden. Zweifellos eine Lieferung aus Südamerika, die für die europäischen Märkte bestimmt war. Das Nigerdelta war einer der Umschlagplätze für Drogen von der anderen Seite des Atlantiks, wie es das Kap Guardafui in Somalia für einen Teil der asiatischen Produktion war. Diese geografische Lage war Henry Okah nicht entgangen, als er Südafrika verlassen hatte, um in seine Heimat zurückzukehren. In diesem Zelt befanden sich schätzungsweise zwanzig Kilo Heroin. Genug, um die Guerillatruppe einige Monate lang zu finanzieren.
    Umaru stand mit dem Rücken zum Eingang des Zelts, seine Kalaschnikow hatte er, in militärischer Haltung, mit dem Kolben auf dem Boden links neben sich abgestellt. Sein Sergeant, Forman Stona, verharrte einige Schritte hinter ihm reglos in derselben Position. Umaru unterdrückte einen Schauder, als er das dumpfe Geräusch von Militärstiefeln hörte, die über den gestampften Boden marschierten. An der Schwere der Schritte glaubte er Okah zu erkennen. Die beiden Männer standen stramm.
    »Rührt euch!«, rief Okah beim Eintreten.
    Die beiden Männer stellten sich ihnen gegenüber auf. Aduasanbi stützte sich auf die Kante des Tischs und strich sich mit den Fingern durch seinen gestutzten grauen Bart. Im

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