Die Unseligen: Thriller (German Edition)
Zigaretten aufhob. Vor Wut zitterten seine Hände, und erst beim zweiten Versuch gelang es ihm, sich eine Zigarette anzuzünden.
»Schön … « Er schloss die Augen und gönnte sich einige Sekunden, um wieder ruhig zu werden. »Und kann dieser infiltrierte Agent nichts unternehmen, damit wir Zeit gewinnen?«
»Spezialkräfte wurden mobilisiert, um einzugreifen. Aber … « Der Berater des Ministers zögerte, da er wusste, welche Reaktion er auslösen würde. » … es geht vorrangig um das kleine Mädchen. Die Einsatzkommandos haben keine Anweisungen bezüglich unserer Staatsbürger erhalten.«
Die Nacht der Macheten
»Die Revolution ist ein Eifersuchtsdrama.«
Mao Tse-tung
22
»Los, Bewegung!«
Benjamin und Jacques stolperten im Schlamm, geblendet von den Lichtkegeln der Taschenlampen, die etwa zwanzig vermummte Männer auf sie richteten. Benjamin, der die Augen mit der Hand beschirmte, sah Gestalten, die aus den Zelten kamen und zu den Luftkissenfahrzeugen und Schlauchbooten rannten.
»Wohin fahren wir?«, fragte Jacques in Panik.
Ihr Bewacher antwortete nicht und gab nur ein unverständliches Brummen von sich. Die beiden Geiseln wurden in den Fluss gestoßen, wo sie bis zu den Booten waten mussten. Mit dem Lauf seiner AK -47 auf das erste Hovercraft deutend, gab ihnen ein junger Bursche zu verstehen, an Bord zu gehen. Zwei Männer in Kampfanzügen hievten sie hoch und forderten sie auf, sich auf das mit Munitionskisten vollgepackte Achterdeck zu setzen.
Um sie herum überprüften Guerillakämpfer ihre Waffen und reichten eine Crackpfeife herum. Die Dunkelheit ließ die Grenze zwischen dem Niger und dem Dschungel verschwimmen. Eine düstere Spannung schien von dem Lager und von den Kämpfern Besitz ergriffen zu haben. Benjamin begegnete dem verängstigten Blick von Jacques. Er hätte ihn gern beruhigt, selbst wenn er dafür hätte lügen müssen, aber die Angst ließ ihn schweigen.
Am Ufer traten die Männer zur Seite, um General Aduasanbi durchzulassen. Er trug Naïs auf dem Arm, das Mädchen schien zu schlafen, sein Kopf ruhte an seiner Brust. Die Kämpfer der MEND schlugen die Augen nieder, als wäre dieses Kind heilig und als würde sein bloßer Anblick genügen, uralte Flüche zu wecken. Einige bekreuzigten sich.
Benjamin glaubte, Beklommenheit in den Augen des Mannes zu erkennen, der das Mädchen entgegennahm, um sie an Bord zu holen. Er legte Naïs vorsichtig in eine Bambuswiege, die mit einem Gurt am Steuerstand befestigt war.
Die Gebläse der Luftkissenfahrzeuge setzten sich in Gang. Die hohen Gräser schwankten hin und her, und die Oberfläche des Flusses kräuselte sich. Das Boot an der Spitze entfernte sich von den anderen, beschleunigte und verschwand in der Nacht. Benjamin spürte, wie das Hovercraft über das Wasser zu schweben begann, während sich das Brummen der Heckpropeller verstärkte. Von dem schwebenden Gefühl der Schwerelosigkeit wurde ihm übel. Er sah die Silhouetten von Yaru Aduasanbi und Henry Okah am Ufer stehen und hatte den Eindruck, Wächter am Ufer des Styx zu sehen.
Der Steuermann setzte zu einer großen Kehrtwende an, wobei er Lianen streifte, die von Mangrovenbäumen herabhingen, und gab Vollgas.
23
Umaru Atocha stand am Bug und ließ den Fluss nicht aus den Augen. Die Nachtluft kühlte seine Stirn und schärfte seine Sinne. Die hohe Geschwindigkeit der Luftkissenboote verzerrte die Geräusche, entstellte die Formen und krümmte die Stämme der Roten Mangroven um einen unsichtbaren Fluchtpunkt herum. Im Mondschein glänzte die unermessliche Weite des Sumpfes metallisch.
Umaru wandte sich zu den Geiseln um. Die beiden neben Forman Stona sitzenden Ärzte machten einen niedergeschlagenen Eindruck. Die Angst war ihnen anzusehen. Das Mädchen dagegen wirkte geradezu beunruhigend gelassen. Sie betrachtete die Landschaft, wie gebannt von dem fernen gelb-orangen Flimmern einer Ölplattform. Es gelang ihr nicht, den Blick von dem in der Finsternis flackernden Lichthof abzuwenden. Umaru setzte sich wieder und sah auf die Karte, wobei er die Augen mit der Hand gegen die Gischt und den Sand, die den Rumpf peitschten, abschirmte. Sie konnten nicht mehr weit von der Stelle entfernt sein, wo der Warri-Forcados und der Niger zusammenflossen. Noch acht Kilometer mussten sie durch dieses Labyrinth Slalom fahren, ehe sie die Mündung erreichten. Fünfzehn Kilometer bis zum Ziel. Er sah auf seine Uhr.
Im Licht einer Taschenlampe ging er zum x-ten Mal den Ablauf der Operation
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