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Die Unseligen: Thriller (German Edition)

Die Unseligen: Thriller (German Edition)

Titel: Die Unseligen: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aurélien Molas
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verlassen und zur Jagd aufbrechen.
    Als er hörte, dass die Tür aufging, hob er den Kopf und warf dem jungen Mann in Jeans und weißem Hemd, der auf ihn zukam, einen missbilligenden Gruß zu.
    »Könnte ich eine Zitronenlimonade haben?«, rief der Anwalt dem Wirt zu. »Ohne Eiswürfel.«
    Bevor er sich hinsetzte, sah er sich flüchtig in dem Raum um; sein Blick wanderte zu der Ausreißerin an der Theke und dem Junkiepärchen.
    »Schön«, sagte er, als er seinen Aktenkoffer auf den Tisch stellte. »Legen wir los?«

66
    »Mein Kontaktmann bei den Spezialkräften hat mir das hier gemailt …« Der Anwalt breitete Berichte und Satellitenaufnahmen auf dem Tisch aus. Okah nahm eine davon und hielt sie sich dicht vor die Augen. Das Gebiet war eingezäunt, und man sah deutlich weiße Zelte mit roten Kreuzen und ringsherum weitere, kleinere Zelte sowie Lkws, die sich am Eingang stauten.
    »Ein Flüchtlingslager … «
    »Das von Damasak«, ergänzte der Anwalt. »Die Spezialkräfte vermuteten, dass Aduasanbi früher oder später durch dieses Lager kommen würde. Deshalb haben sie meine Kontaktperson als Leiter des Kommissariats eingesetzt … «
    »Immer schön der Reihe nach … Woher wussten sie, dass Aduasanbi dieses Lager passieren würde?«
    »Das habe ich sie auch gefragt, aber sie haben mich abblitzen lassen.«
    Okah fischte sich eine Zigarette aus der Schachtel und drehte sie zwischen seinen Fingern.
    Seltsam, sagte er sich. Seit er den Deal mit der Regierung geschlossen hatte, hatte sich diese sehr um Transparenz bemüht und alle Fragen seines Anwalts beantwortet.
    Bis jetzt.
    Der Anwalt räusperte sich.
    »Meine Kontaktperson«, fuhr er fort, »ist überzeugt davon, dass Aduasanbi sich in diesem Lager versteckt hielt. Bis gestern.«
    »Hat er ihn gesehen?«, fragte der Anführer der MEND mit leiser Stimme.
    »Er hat ihn nicht förmlich identifiziert, aber mehrere Indizien lassen darauf schließen, dass Aduasanbi im Krankenhaus einer der im Lager tätigen Nichtregierungsorganisationen war.«
    »Ist er verletzt?«
    »Nach allem, was wir wissen, musste nicht er, sondern das Mädchen behandelt werden.«
    »Naïs … «, fluchte Okah – bei der bloßen Erwähnung dieses Namens sträubten sich ihm die Haare. »Mist, und was hat sie?«
    »Aduasanbi und sie sind zusammen mit anderen Flüchtlingen eingetroffen. Nach Auskunft des Roten Kreuzes kamen sie aus Niger … «
    »Wie kommt es, dass die Polizisten sie am Checkpoint nicht erkannt haben?«
    »… Naïs«, fuhr der Anwalt fort, »litt an Mangelernährung, als sie stationär aufgenommen wurde … «
    »Ist den Ärzten aufgefallen, dass sie nicht … ganz normal war?«
    Der Anwalt schüttelte den Kopf. Okah steckte sich die Zigarette an und schwieg. Im Fernsehen überquerten Flüchtlingskolonnen die Grenze zum Bundesstaat Sokoto. Er konnte sich mühelos vorstellen, wie Aduasanbi, der Naïs in seinen Armen trug, von dem anhaltenden Strom mitgerissen wurde.
    »Warum hat deine Kontaktperson die Gelegenheit nicht genutzt, um Aduasanbi festzunehmen?«
    »Er kam nicht dazu. Offenbar wurde einer der Klinikärzte niedergestochen. Aduasanbi dürfte im Schutz der Panik geflohen sein … Und ich muss dir gestehen, dass mir das ganz recht ist. Ich weiß nicht, wie ich deine Freilassung so schnell hätte erreichen können, wenn mein Kontaktmann Aduasanbi vor dir gefasst hätte.«
    »Hat dieser Zwischenfall, dieser Arzt, der niedergestochen wurde, irgendetwas mit Aduasanbi und der Kleinen zu tun?«
    »Wir wissen es nicht. Dafür wissen wir, dass auch Umaru Atocha in Damasak war.«
    Der Anwalt griff einen Bericht heraus und schob ihn Okah hin. Auf der ersten Seite das bleiche Gesicht Umarus. Seine roten Augen starrten ins Objektiv. Mit Naïs erhöhte dies die Zahl der Monster, die er zur Strecke bringen musste, auf zwei, dachte Okah.
    »Die Polizei hat einen seiner Männer gefasst. Mein Kontaktmann hat ihn vernommen, aber das hat nichts gebracht. Zumindest hat er in den Dokumenten, die er mir geschickt hat, nichts davon erwähnt.«
    »Aber er muss doch irgendetwas wissen … «, murmelte Okah, während er seinen Zeigefinger über das Foto des Albinos gleiten ließ.
    »Mit Sicherheit wissen wir, dass auch Umaru Atocha das Mädchen in seine Gewalt bringen will. Warum? Das wissen wir nicht.«
    Okah überlegte und stand dann auf.
    »Wohin gehen wir?«, fragte sein Anwalt, der es ihm gleichtat.
    »Zu jemandem, der mir sagen kann, wo sich Aduasanbi versteckt hält.«

67
    Die Sonne

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