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Die unsichtbare Pyramide

Titel: Die unsichtbare Pyramide Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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Augen verschwimmt alles.«
    »Dann steh auf und geh näher ran!«
    »Selten so gelacht.«
    »Du musst natürlich die Fesseln lösen.«
    »Gern. Wenn du mir sagst, wie.«
    »Versetze sie.«
    »Was soll ich tun?«
    »Stell dir vor, sie wären nicht an deinem Körper, sondern anderswo.«
    »Und was soll das bringen?«
    »Tu es, Francisco!«
    Der Gefesselte kniff die Augen zusammen. Auf Trevir machte er nicht den Eindruck, als habe er besonders viel Übung im Lenken der Kräfte des Triversums, und tatsächlich veränderte sich nichts. Die Fesseln rutschten wie von Geisterhand ein wenig hin und her, blieben aber an Ort und Stelle.
    »Ich kann das nicht!«, jammerte Francisco.
    »Warte!« Trevir atmete tief durch. Wie hatte Topra das gemacht? Während das Beben ringsum immer heftiger wurde, schob der Hüter des Gleichgewichts seine freie Hand vorsichtig auf Francisco zu. Mit einem Mal spürte er ein Prickeln, so als würde seine Haut von einer heißen Quelle umsprudelt. Trevirs Hand verfärbte sich blassblau. Gleich darauf spürte er das kalte Metall von Franciscos Fußfessel. Im nächsten Augenblick war diese verschwunden. Die beiden Handschellen entfernte er genauso rasch. Dann wiederholte er seinen Befehl.
    »Wie hast du das gemacht?«, fragte der Befreite erstaunt.
    »Mit der Gabe, die wir alle empfangen haben, obwohl wir sie offenbar unterschiedlich nutzen. Doch nun steig schnell von dem Tisch, Francisco, und geh zur Inschrift. Lies sie uns vor!«
    Schwerfällig schwenkte der soeben Befreite die Beine über den Rand des Sarkophags. Als er sich hinstellte, musste er sich abstützen, um nicht hinzufallen. Er war sichtlich benommen, aber das heftige Beben in der Kammer des Wissens machte alles nur noch schwerer für ihn. Trevir und Topra verfolgten atemlos, wie er durch das Bassin schwankte. Er stürzte, raffte sich aber wieder auf.
    Ringsherum fielen größere und kleinere Stücke der Decke herab und fielen platschend ins Wasser. Es war nur eine Frage der Zeit, bis Francisco getroffen werden würde. Endlich erreichte er den Beckenrand, wälzte sich auf den umlaufenden Gang, krabbelte auf allen vieren zur Wand und kämpfte sich dort auf die Beine.
    »Hier!«, sagte Francisco und deutete auf ein Symbol, das der lang gezogenen Schlinge eines Seiles glich, in dem sich mehrere, für Trevir gänzlich rätselhafte Schriftzeichen befanden. »Das ist Imhoteps Kartusche. Und das da« – er zeigte auf einen Umriss, der sowohl Trevir als auch Topra nur allzu vertraut war – »dürfte das gesuchte Möbius-Band sein.«
    »Was für ein Band?«
    »Das Emblem der Unsichtbaren Pyramide.«
    »Ach so. Gut! Und was…« Trevir hörte ein grelles Zirpen im Ohr und sprang zur Seite. Ein kopfgroßer Steinbrocken zerschellte neben ihm am Boden. Er legte seine Hand auf den kleinen pelzigen Körper an seinem Kragen. »Danke, Orrik.« Dann wandte er sich wieder an Francisco. »Was besagt die Inschrift, die das Symbol umgibt?«
    »Warte!«
    »Wir haben keine Zeit mehr, Bruder! Hier…«
    »Halt endlich den Mund!«, brüllte Francisco und ballte dabei beide Fäuste. »Ich habe seit Monaten keinen längeren Hieroglyphentext mehr übersetzt. Gib mir ein paar Sekunden.«
    Trevir wagte nicht zu fragen, was eine »Sekunde« ist. Sein anderer Drilling hatte zwar den letzten Wortwechsel nicht verstanden, bedeutete ihm aber durch eine beschwichtigende Geste, die Ruhe zu bewahren. Aus zwei Welten sahen sie Francisco bei der von heftigen Erschütterungen begleiteten Entzifferung des Textes zu. Endlich begann er zu nicken, erst zaghaft, dann bestimmt.
    »Ja, ich glaube, jetzt hab ich’s«, murmelte er.
    »Und? Was steht da?«, drängte Trevir.
    Francisco drehte sich um, lächelte und wurde von irgendetwas am Kopf getroffen. Der freudige Ausdruck auf seinem Gesicht verwandelte sich in Erstaunen. Dann wurde sein Blick glasig, er sackte gegen die beschriftete Wand und rutschte stöhnend zu Boden. In dem Maße, wie ihm das Bewusstsein schwand, verblasste die Szene vor Trevirs und Topras Augen. Zuletzt sahen sie noch einen Schemen, der sich über Francisco beugte.
    Im Gürtel des Unbekannten glitzerte ein blauer Kristalldolch.

 
    18
    Die Kammer des Wissens
    Erde
     
     
     
    Franciscos Blick hing an der blonden Schönheit wie ein Insekt am Fliegenfänger. Sie trug einen äußerst knappen Bikini. Bruder Pedro hatte den Mönchen im Kloster La Rábida das Studium der weiblichen Anatomie nur gestattet, wenn es der Schaffung von Heiligenbildern diente – man

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