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Die unsterbliche Braut

Die unsterbliche Braut

Titel: Die unsterbliche Braut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aimée Carter
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Persephone nicht bei Henry bleiben?“
    Sie antwortete nicht. Das Feuer prasselte, und in der Ferne hörte ich eine Frau singen, doch ich schenkte ihr keine Beachtung. Viele von den Sterblichen, an denen wir vorbeigekommen waren, hatten gesungen. Während ich manche Lieder erkannt hatte, waren andere so alt gewesen, dass sie der Geschichtsschreibung verloren gegangen waren und nur noch die Toten sie kannten, die sie sangen.
    „Persephone hat sich in einen Sterblichen verliebt“, begann James nach langem Schweigen. „Sie war nicht viel anders als der Rest von uns – auch bevor sie Adonis getroffen hat, war sie Henry nicht treu.“
    „Du kannst nicht behaupten, ihr wärt alle so, wenn Nicholas Ava nicht betrügt“, fuhr ich ihn an. Also war es nicht nur das eine Mal gewesen. Immer und immer wieder hatte Henry das Wissen ertragen müssen, dass Persephone mit anderen Leuten schlief – vermutlich mit anderen Ratsmitgliedern, denen er danach entgegentreten musste. Und trotzdem hatte er sie geliebt.
    „Calliope hat Daddy auch nicht betrogen“, murmelte Ava nachdenklich, und ich hätte mich fast verschluckt.
    „Calliope und Walter?“, stieß ich verwirrt hervor. „Aber er ist so alt .“
    „Sie ist älter“, wies Ava mich pikiert zurecht. „Davon abgesehen spielt das Alter nach den ersten tausend Jahren oder so nicht mehr wirklich eine Rolle. Er sieht bloß älter aus, weil er es so will. Er denkt, dadurch wirkt er ehrwürdiger.“
    Das ergab keinen Sinn. Nicht dass Calliope älter war und das ganze Zeug, sondern dass sie verheiratet war und Henry trotzdem so besessen liebte, dass sie bereit war, zu töten, um ihn zu bekommen. „Aber warum …“ Mit einer frustrierten Geste wies ich auf unsere Umgebung. „Warum sind wir dann hier? Warum tun wir das hier, wenn Calliope verheiratet und ihrem Ehemann treu ergeben ist? Warum sollte sie all das tun, um Henry zu bekommen, wenn sie doch schon Walter hatte?“
    James und Ava wechselten einen Blick, den ich nicht verstand, und ich krallte die Fingernägel in meine Jeans. Ich hinkte so schon Tausende von Jahren hinterher. Zu wissen, dass es etwas gab, das sie mir nicht sagten, stachelte meine Frustration nur noch an.
    „Walter hat uns alle gezeugt“, erklärte James. „Jeden im Rat außer den ersten sechs.“
    „Und mir“, ergänzte Ava. „Er war in verschiedenen Körpern und Formen, also ist es nicht, na ja, eklig oder so. Aber sie sind alle Walters Kinder.“
    „Und Calliope ist die Mutter von nur zwei von uns“, fuhr James fort. „Nicholas und Dylan.“
    Stumm saß ich da, während mir die volle Bedeutung dieserEnthüllung bewusst wurde. Ich wusste nicht genau, wie lange sie alle existiert hatten, aber mir war klar, dass es länger war, als ich begreifen konnte. Hundert Jahre hörten sich für mich an wie eine Ewigkeit, doch für sie war es, verglichen mit dem Rest ihres Daseins, kaum ein Moment. Und während dieser ganzen Zeit hatte Calliope ihrem Ehemann zusehen müssen, wie er andere Frauen liebte, und hatte seine Kinder als Familie akzeptieren müssen. Als Gleichgestellte.
    Einen entsetzlichen Moment lang verstand ich, warum Calliope das alles tat. Ich spürte ihren Zorn, ihren Schmerz, all die Qualen, die sie durchlitten hatte, und ihre Einsamkeit und die Sehnsucht danach, geliebt zu werden. Gleichzeitig hatte sie gesehen, wie Henry dasselbe durchgemacht hatte, und musste in ihm einen Seelenverwandten gesehen haben. Jemanden, von dem sie dachte, er würde sie verstehen und mit ihr zusammen sein wollen, weil sie ihm niemals diese Art von Schmerz zufügen würde.
    Stattdessen hatte Henry sie rundheraus abgewiesen und war zu einer weiteren Person geworden, die Calliope dazu brachte, sich vollkommen allein zu fühlen.
    Aber Henry war in diesem Fall nicht der Böse. Er hatte loyal zu Persephone gestanden, trotz all dem, was sie ihm angetan hatte, und mein kurzfristiges Mitgefühl für Calliope verschwand. Letztendlich trug sie allein die Schuld an dem, was sie getan hatte, niemand sonst.
    „Kein Wunder, dass sie durchgedreht ist“, murmelte ich. „Wenn ich zusehen müsste, wie Henry mir das antut, würde es mir genauso gehen, glaub ich.“
    „Das ist keine Entschuldigung für Mord“, erwiderte James bestimmt. „Und auch nicht dafür, Kronos freizulassen. Egal wie sehr sich Walter wie ein Arschloch benommen hat, sie ist diejenige, die letzten Endes diese Entscheidungen getroffen hat.“
    Und wir waren diejenigen, die mit den Konsequenzen leben

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