Die Unsterblichen: Roman (German Edition)
und zu Probleme mit seinem Gewicht hat. Er erreicht ein gewisses Gewicht, und dann kommt er mit dem, was aus ihm geworden ist, überhaupt nicht mehr zurecht. Er beginnt zu joggen und isst bloß noch Grillhähnchen, Spargel und Ofenkartoffeln. Dann hat er wieder eine annehmbare Figur, lernt ein Mädchen kennen, isst, was sie kocht, und nimmt wieder alles zu. Und sobald er seinen kritischen Punkt erreicht hat, beginnt er wieder von vorn. Wenn man von ihm die letzten zehn Jahre jeden Tag ein Foto gemacht hätte, dann wäre es viel interessanter gewesen. Als würde man jemandem dabei zusehen, wie er einen Ballon aufbläst, ohne dabei die Öffnung am Ende zusammenzudrücken, während er Luft holt. Man würde seine Geschichte sehen. Man bekäme zumindest eine Vorstellung von dem Leben, das er gelebt hat, und von den Dingen, mit denen er sich herumschlagen musste. Aber bei mir nicht. Es gibt keine Geschichte. Man kann verdammt noch mal nichts erkennen.
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GEÄNDERT AM:
20.06.2029, 24:14Uhr
»Du hast gesagt, du würdest mich für immer lieben«
Sonia wollte heiraten. Sie hatte schon früher davon gesprochen, doch ich hatte es geschafft, das Thema so lange wie möglich aufzuschieben. Ich habe jedoch herausgefunden, dass eine Frau, wenn sie einmal ein Thema auf den Tisch gebracht hat, niemals wieder aufgibt, bis man sich schließlich erweichen lässt. Das soll keine Kritik an Frauen sein. Sie sind so bewundernswert ausdauernd, während ich genau das Gegenteil bin. Ich lasse alles los, sobald der Aufwand, es festzuhalten, zu groß wird.
Sie brach eine dieser lange währenden Pausen, die bei unseren ernsteren Auseinandersetzungen sehr häufig vorkommen. »Ich weiß nicht, wovor du solche Angst hast.«
»Ich habe vor nichts Angst«, erklärte ich ihr.
»Doch, das hast du.«
»Du bringst mich nicht dazu, dich zu heiraten, bloß weil du meine Männlichkeit in Frage stellst. Ich weiß bereits, dass ich mit den meisten anderen Männern nicht mithalten kann. Die Kinder-Frühstücksflocken in der Küche sind Beweis genug dafür.«
»Das ist nicht komisch, John. Ich habe vier Jahre meines Lebens in das hier investiert. Es kommt der Zeitpunkt, an dem eine Frau einen Mann nach seinen Absichten fragen darf. Glaubst du nicht auch?«
»Ja, das tue ich. Und ich lebe in einer Beziehung mit dir. Ich habe dich nie betrogen. Ich war immer da, um dich zu unterstützen.«
»Und du sagst, dass du mich liebst, nicht wahr?«
»Das tue ich. Ich liebe dich sehr.«
»Du hast gesagt, du würdest mich für immer lieben.«
»Das habe ich. Und ich habe es auch so gemeint.«
Sonia setzte sich. Sie sah nicht verärgert aus. Sie sah aus, als wolle sie ein mathematisches Problem lösen, dessen Bedeutung sich ihr entzog. Das mochte ich schon immer an ihr. Sie war niemals unvernünftig. Wenn sie sich einem Problem gegenübersah, ging sie es mit gesunder Logik und Analysefähigkeit an. Nicht jeder, den ich kenne, tut das. Ich weiß, dass ich selbst es nicht tue.
»Ich verstehe das nicht«, sagte sie. »Du weißt, dass ich kein bedürftiger Mensch bin. Und ich kann selbst auf mich aufpassen. Aber der Grund, warum ich mit dir darüber spreche, ist, dass ich den Rest meines Lebens mit dir verbringen will. Ich möchte gemeinsam mit dir etwas aufbauen. Und ich will diese Unterhaltung nicht alle vier Monate wieder führen müssen. Ich möchte das klären.«
»Das verstehe ich. Aber sieh dich doch mal um. Kennst du jemanden, der heiratet? Irgendjemanden?«
»Was hat das mit uns zu tun? Willst du mir weismachen, dass du es nicht willst, weil es niemand sonst tut?«
»Nein.«
»Denn ich weiß, was gerade abgeht. Ein Mann aus meinem Büro hat sich vor drei Monaten verlobt, und alle anderen Männer haben ihn deswegen ausgelacht. Sie haben ihm direkt ins Gesicht gelacht. Jeder Typ sollte mittlerweile ein Macho und ein beschissener ewiger Junggeselle sein.«
Ich saß neben ihr auf dem Sofa. Ihr Weinglas stand auf dem Beistelltisch, doch sie hatte es noch nicht angerührt.
»Es geht nicht nur darum, was die anderen Typen sagen«, meinte ich. »Ich werde so ehrlich wie möglich sein, denn du verdienst die ungeschminkte Wahrheit. Ich schaffe es nicht, mich an etwas – an irgendetwas – für die nächsten fünfhundert Jahre zu binden, oder wie lange wir auch immer leben werden. Ich habe weder das Wissen noch die Voraussicht, um dir sagen zu können: ‚Ja, ich bleibe bei dir, egal was jetzt und bis zum Ende aller Tage
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