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Die Unsterblichen: Roman (German Edition)

Die Unsterblichen: Roman (German Edition)

Titel: Die Unsterblichen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ketil Bjørnstad
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eine Verbindung mit der Station. Eine freundliche Krankenschwester. Sie waren in den Großkrankenhäusern immer so entgegenkommend, nicht so überlastet wie in anderen Einrichtungen des Gesundheitswesens. Er sagte, wer er war. Er hörte sofort die ernste Tonlage. Gab es Probleme? »Ich werde Ihnen die zuständige Schwester geben«, sagte sie. Es verging eine Minute, Elisabeths Gesicht war voller Fragen, dann hörte er eine Frauenstimme im Trondheimer Dialekt. Schwester Magnhild. »Stimmt etwas nicht?« fragte er. »Tulla Dahl bekam leider heute nacht erneut einen Schlaganfall«, sagte sie. Er mußte das sofort an Elisabeth und die Töchter weitersagen. »Ein neuer Schlaganfall …« Elisabeth zuckte zusammen, flocht die Finger ineinander und starrte zum Fenster. Schwester Magnhild erklärte die Lage. Man habe sie mit Medikamenten versorgt. Die übliche Vorgehensweise. Natürlich. Aber zunächst etwas schwierig einzuschätzen. Ein Blutgerinnsel. Immer ein Lotteriespiel. Sie sei jetzt beim Röntgen. Ja, sie könne einigermaßen sprechen. Nein, das Bett könne sie nicht verlassen. Bedaure. Tut mir sehr leid. Soetwas passiert. »Die Prognose«, sagte Elisabeth. Er signalisierte, daß sie den Hörer haben könne, aber das wollte sie nicht. Er fragte, ob Janne in der Nähe sei. Ja, sie könnten mit ihr sprechen. Da griff Elisabeth nach dem Hörer. Sie begann zu weinen. Es war immer so schrecklich, wenn Elisabeth weinte, dachte er. Sie wurde dann so hilflos. Er wollte nicht, daß sie so verzweifelt war. Die Töchter auch nicht. Sie klopften ihr auf den Rücken, während sie telefonierte. Sie beruhigte sich rasch. Wollte unbedingt mit Tulla sprechen. Janne sagte nein. Die Schwestern redeten lange miteinander. Wie gut, daß sie eine Schwester hat, dachte Thomas. Diese übertriebene Besorgnis, als befinde sich Tulla im Frühling des Lebens. Wie lange würde sie wohl noch am Leben sein? Er sah das Szenario vor sich. Die gleiche Situation wie im Brenner-Haus. Tulla im Pflegeheim. Kaare allein im oberen Stockwerk, noch hilfebedürftiger. Ohne Anspruch auf einen Pflegeheimplatz, solange Elisabeth da war. Man sollte es so machen wie Potter Palmer, dachte Thomas, und zur Bank von Norwegen gehen und einen Kredit über siebzehn Millionen verlangen mit der eigenen Unterschrift als einziger Sicherheit. Das müßte funktionieren. Mit Geld spekulieren und innerhalb weniger Wochen Riesensummen anhäufen. Sozial verantwortlich betrügen. Dann selbst ein Pflegeheim bauen und die Eltern dort unterbringen. Elisabeth beendete das Telefonat, gut getröstet von ihrer Schwester Janne. »Wir können sowieso nichts machen«, stellte Annika fest und die Mutter nickte. Andreas hatte seine Rückreise nach Vestlandet verschoben, es würde schon alles laufen. Sie waren in den USA . Elisabeth rief Kaare an. Er wußte noch nichts. Andreas ging ans Telefon. Sie redeten lange. Und sie konnte mit Kaare sprechen, der in seinem Sessel auf der anderen Seite des Atlantik saß und weinte. Sie versuchteihn zu trösten, zeigte wieder ihre alte Stärke. Achtsamkeit. Die erstaunliche Ruhe, die über sie kam, wenn er es am wenigsten erwartete.
    Sie hatten bereits eine Stunde telefoniert, als Elisabeth endlich auflegte. Line und Annika hatten sich fertiggemacht, um in die Stadt zu gehen. »Aber jetzt muß ich anrufen«, murmelte Thomas. »Ich muß Mutter anrufen. Ich muß Vater anrufen.« Da gab es keine Diskussion. Elisabeth verstand das immer. Als Bergljot ins Pflegeheim kam, hatte Gordon zu ihm gesagt: »Ab jetzt mußt du mich morgens und abends anrufen, und du mußt öfter kommen als vorher.« Ja, hatte er gedacht, früher war er häufig im Brenner-Haus, aber nicht täglich. Und jetzt war er in den USA. Sekunden später hörte er Vater schreien: »Amerika sagst du? Was machst du in Amerika?« Er erzählte von ihrer Reise. Aber der Vater wollte davon gar nichts hören. »Du mußt mir Kleiderbügel besorgen!« rief er. »Die speziellen für Hosen, Vater?« Er merkte, daß er ebenfalls schrie. Aber sie waren ja trotz allem durch ein Weltmeer getrennt. »Ja, ganz richtig, woher weißt du das?« »Du hast mich schon einmal danach gefragt, Vater. Ich hatte keine Zeit, aber vielleicht klappt es jetzt. Ich kann sie hier in Chicago kaufen.« »Das wäre schön«, rief der Vater.
    Er hörte die Dankbarkeit in seiner Stimme. Ihm wurde etwas versprochen. Eine kleine Abwechslung im Alltag. Thomas dachte, daß der Vater nach dem Auszug von Bergljot tapfer gewesen war. Er hatte

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