Die Unvergänglichen: Thriller (German Edition)
erkennende Merkmal, auf das er gehofft hatte, kam nicht in Sicht. Das Gelände glitt monoton an ihm vorbei, warbedeckt von wildem Gras und abgetrennt durch einen Drahtzaun, der im Licht ihrer Scheinwerfer glänzte. Keine Bäume, keine Häuser. Gar nichts.
»Doc? Wir sind nicht mehr weit vom Krankenhaus entfernt. Es dauert keine zwanzig Minuten mehr. Halten Sie durch, ja?«
Richard war sich nicht sicher, welcher der beiden Männer gesprochen hatte, aber er hatte zum ersten Mal Emotionen in der Stimme registriert. Keine Sorge um ihn, sondern vielmehr Angst um die eigene Person. Andreas Xander würde nicht erfreut sein, wenn der Mann, der ihm eine Zukunft ermöglichen sollte, auf dem Rücksitz eines seiner Fahrzeuge starb.
»Doc?«
Im Scheinwerferlicht tauchte vor ihnen ein Schild auf, und Richard sah es mit tränenden Augen an. Als sie näher kamen, wurden die weißen Zahlen größer. Er beugte sich weiter aus dem Fenster und ignorierte den heftiger an ihm zerrenden Wind.
Es war ein Meilenschild. Nummer achtundvierzig.
»Halten Sie den Wagen an«, sagte Richard mit mehr Kraft in der Stimme, als er es für möglich gehalten hatte. Ihm lief die Zeit davon. Ebenso wie Susie.
»Was?«, erwiderte der Fahrer. »Bleiben Sie ruhig, Doc. Wir sind nicht weit …«
Richard zog am Türgriff und entriegelte die Tür.
»Stopp!«, hörte er den Fahrer schreien. Sie fuhren vermutlich um die 130 km/h, und Richard war nicht in dem Zustand, dass er die Auswirkungen einer plötzlichen Notbremsung einkalkulieren konnte. Die Tür ging auf, während sein Arm noch aus dem offenen Fenster hing, sodass er nach draußen auf den Asphalt gezogen wurde.
Sein Verstand reagierte nicht schnell genug, um das Geschehene zu verarbeiten, und er begriff erst, dass er nicht gefallen war, als der Wagen angehalten hatte. Als er sich umschaute, erkannte er, dass der Mann, der auf dem Beifahrersitz gesessen hatte, jetzt dort kniete und seinen Laborkittel mit einer Hand umklammerte.
Richard schwang einen Fuß aus dem Wagen, streckte die Arme hinter sich, glitt aus dem Kittel und taumelte über den mit Kiesbedeckten Seitenstreifen auf die Büsche dahinter zu. Er hörte, wie hinter ihm eine Wagentür geöffnet wurde, aber er lief weiter und fiel erst auf die Knie, als er sich nicht mehr im Lichtkegel des hinter ihnen fahrenden Wagens, der mit quietschenden Reifen zum Stillstand gekommen war, befand.
Sein Magen verkrampfte sich erneut, und dieses Mal erbrach er sein Abendessen in den vor ihm stehenden Busch. Der Mann, der ihn im Wagen festgehalten hatte, war in etwa fünf Metern Entfernung stehen geblieben.
»Doc, wir können nicht hierbleiben. Wir müssen weiter.«
Richard signalisierte ihm, dass er Abstand halten sollte, und wandte sich erneut ab, um sich einige Male unkontrolliert zu krümmen, bevor er sich wieder umsehen konnte. Es waren insgesamt vier Männer, die mit Ausnahme des ihm am nächsten stehenden alle in die sie umgebende Dunkelheit blickten und nach der Armee Ausschau hielten, die sich darin verbergen mochte.
Als er sich das Ganze im Kopf ausgemalt hatte, war da eine größere Distanz, mehr Dunkelheit sowie die Deckung seines Laborkittels gewesen. Doch all das sollte nicht sein. Er würde nie wieder eine zweite Chance bekommen.
Als der Mann hinter ihm kurz zu seinen Begleitern herübersah, zog Richard die Phiole aus der Tasche und warf sie unter die Zweige des vor ihm stehenden Busches. Er schaufelte gerade etwas Erde darauf, als er von hinten am Kragen gepackt wurde.
»Okay, Doc. Das reicht.«
Er wehrte sich schwach und glaubte schon, sie hätten ihn durchschaut, aber niemand griff nach der Phiole und er wurde einfach nur zurück zum Wagen gebracht.
»Scheiße, Mann. Entspannen Sie sich mal, ja? Wir bringen Sie ins Krankenhaus und alles wird wieder gut, okay?«
59
1800 Meilen östlich von Australien
22. Mai
Oleg Nazarov überlegte, ob er sich durch den Dschungel bewegen und von hinten an den Hangar heranschleichen sollte, aber er verwarf diese Idee gleich wieder. Solche Operationen lagen seit Langem hinter ihm. Die restliche Fitness, die er noch besaß, hatte er vor allem seiner Vorliebe für junge Frauen zu verdanken, und das war wohl kaum eine vernünftige Vorbereitung auf so eine Aktion.
Was er jedoch hatte, was ihm noch geblieben war, war die Illusion von Autorität. Und die gedachte er auch zu nutzen.
Er ging schneller, als er eine Ecke des Hangars sehen konnte, und ging seine verschwommenen Erinnerungen an das
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