Die Unvorhersehbarkeit der Liebe
mich sagen hörte:
»Na gut, Inès. Aber wir müssen ein paar Abmachungen treffen. Bei euch Frauen weiß man nie: klare Verhältnisse und ewige Feindschaft.«
»Habt Ihr Feindschaft gesagt, Fürstin?«
»Freundschaft, wollte ich sagen, Inès … Also, Ihr erinnert Euch vielleicht an Doktor Civardis Rat, jetzt, da Eriprando die Welt um sich herum wahrzunehmen beginnt, den Fürsten, seinen Vater, von ihm fernzuhalten und eine kleine Lüge über seine Krankheit zu erfinden,weil die ständige Nähe des Fürsten das Gleichgewicht des Kindes stören könnte?«
»Ja, ich erinnere mich.«
»Gut, also treffen wir folgende Abmachung: Wenn dieses Wesen gesund zur Welt kommt …«
»Mit Gottes Vergebung!«
»Natürlich … Also, wenn es gesund zur Welt kommt, gibst du es mir, schon zu seinem eigenen Wohl. Und Eriprando kann ein Brüderchen oder Schwesterchen nicht schaden. Wenn es wie der Fürst zur Welt kommt, geben wir es in irgendeine Anstalt für Behinderte oder …«
»Nicht doch, Fürstin, nie würde ich das Kreuz zurückweisen, das Gott mir für meine Sünden auferlegt.«
»Das sehen wir dann, Inès, wir wollen das Fell des Bären nicht verteilen, bevor er erlegt ist, wie man so schön sagt. Wir werden sehen, denk du morgen über alles nach. Und wisse, daß ihr, mit oder ohne Kind, in einem Monat in das Häuschen zieht, das ich dir gezeigt habe und das endlich frei geworden ist.«
»Aber das ist weit weg!«
»Weit weg von hier, aber näher an Catania, Inès … Warum gehst du nicht ab und zu ins Kino, in Gottes Namen? Oder kaufst dir ein paar Bänder oder ein Buch, was weiß ich …«
»Eine Frau darf nicht allein ausgehen!«
»Aber du hast doch Quecksilber, diese zweite lebendig Begrabene, ihr könnt gemeinsam ausgehen.«
»Zwei Frauen, Fürstin, das ist dasselbe, wenn nicht noch schlimmer!«
»Jetzt reicht’s aber! Macht, was ihr wollt! Pietro wird natürlich bei euch bleiben, aber er muß pendeln, denn ich brauche ihn hier vielleicht mehr als der Fürst. Ist der Fürst ruhig?«
»Wie ein Engel! Er hat uns keine Sorgen mehr gemacht.«
»Gut, wenn du nicht weiter so launisch und melancholisch bist wie in der letzten Stunde … du bist schon mindestens seit einer Stunde hier! … was wollte ich sagen? Ach ja! Dann will ich mit Anwalt Santangelo klären, wieviel wir uns erlauben können. Damit du auch für den Fall, daß der Fürst einmal stirbt …
»Oh, möge das nie geschehen!«
»Wird es nicht. Nun hör schon auf! Herrgott noch mal, ich tue das für dich! Und richte dir den Ausschnitt, man sieht den ganzen Busen. Also, was immer geschehen mag: Auch ich könnte morgen sterben … Nein, Ruhe! Ich hinterlasse dir eine kleine Pension und das Häuschen. Verstanden?«
»O Fürstin, wie gütig und großzügig Ihr seid!«
»Ruhe! Es reicht! Verschwinde! Ich habe schon genug Zeit mit dir verloren. Unten erwartet man mich, und ich muß mich noch ankleiden. Nein, hör auf, du brauchst mich nicht zu küssen. Denk über alles nach, und gib mir morgen Antwort.«
49
Zerknirscht ging sie zur Tür hinaus, während ich noch ihre heißen Lippen auf meiner Hand spürte. Mein Gemahl hatte Geschmack, aber ich mußte meine Autorität aufrechterhalten. Als sich die Tür hinter ihr schloß, vergingen mit einer Hitzewallung, die mich vom Kopf bis zu den Füßen durchlief, Übelkeit und Brechreiz. Auch beim letzten Mal, als ich mit Eriprando schwanger gewesen war, hatten mich nur Frauen angezogen. Ob das eine Art Verteidigung des an männlichen Körpersäftengesättigten Organismus war, der ein größeres Bedürfnis nach Zärtlichkeit als nach Penetration hatte, die vielleicht die Entwicklung dieses kleinen Wesens in ihr stören konnte? Natürlich tat diese sanfte Wärme gut. Es wäre schön gewesen, hierzubleiben und sich an diese Wärme zu erinnern, aber ich mußte zum Abendessen gehen … Beatrice zuliebe. Ich hatte für diesen Nachmittag genug Frauengejammer gehabt.
»Hilfe, Hilfe, Modesta!«
»Was ist, Beatrice? Was, um Himmels willen, ist denn? Hat der Blitz eingeschlagen?«
»Nein, wenn es nur das wäre!«
»Was dann, Beatrice? Du bist leichenblaß! Nun sprich schon, statt zu wimmern wie ein Lämmchen.«
»Carlo, Carlo!«
»Ja?«
»Er hat mich geküßt, Modesta! Oh! Hilf mir, halt mich fest. Er hat mich auf den Mund geküßt, genau so, wie du es tust.«
Unvorhersehbare Cavallina, nicht nur hatte sie, die sonst so zurückhaltend war, ohne anzuklopfen die Tür aufgerissen, sondern überdies noch alle Lampen
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