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Die Unvorhersehbarkeit der Liebe

Die Unvorhersehbarkeit der Liebe

Titel: Die Unvorhersehbarkeit der Liebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Goliarda Sapienza
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Norden zurück. Es hat gut daran getan, dich kennenzulernen. Ich gehe in den Norden zurück und bringe so viele von ihnen um, wie ich kann. Und wenn wir verlieren, verschwinde ich über die Alpen und verstecke mich in der Schweiz.«
    Ich will den Blick von dem Sarg abwenden, aber ich muß hinschauen, denn zwischen dem Rot der Fahnen, der Nelken und der Hemden von Carlos Genossen, die abwechselnd den Sarg ihres Helden auf den Schultern tragen, taucht an Joses Stelle ein schwarzer Punkt auf. Vernebelt mir die starke Sonne den Blick? Oder ist dieser kräftig gebaute Mann Mattia, der wegen des Todes seines Bruders Vincenzo Trauer trägt? Nicht die Sonne, sondern das Rot der Nelken vernebelt mir den Blick. Als der Sarg in der Nacht der Via dei Crociferi – in diesen Gäßchen ist immer Nacht – einen Moment lang haltmacht, löst sich Jose von meiner Seite und nimmt erneut Mattias Platz ein. Sie haben die gleiche Statur. Ohne zu schwanken, nimmt der Sarg seinen Weg wieder auf, und Mattia gleitet neben mich.
    »Das sollte Euch nicht erstaunen, Fürstin. Ich bin gekommen, um einem großen Mann die letzte Ehre zu erweisen, wie Ihr es gütigerweise für meinen Vater Carmine Tudia getan habt.«
    Celso stellt sich neben Mattia:
    »Verzeiht, Don Mattia, aber ich habe den Befehl, in der Nähe der Fürstin zu bleiben. Schlimme Zeiten herrschen auf unseren Straßen.«
    »Daran tust du gut, Celso, und ich sage dir gleich, daßDon Mattia nicht gekommen ist, um die Feierlichkeiten zu stören, sondern um diesen Zug zu ehren.«
    »Wenn er das sagt, dann ist es so, Celso! Danken wir Don Mattia und bitten ihn, nach der Beerdigung zu Hause ein Glas Wein mit uns zu trinken.«
    »Mit Freude und Schmerz nehme ich die Einladung an, Fürstin.«

57
    »Drei Monate lang habe ich gewartet, Modesta. Dreimal habe ich den Mond zunehmen und langsam wie das Urteil ›lebenslänglich‹ wieder abnehmen sehen. Warum verdammst du mich bloß zu dieser Einsamkeit?«
    »Ich verdamme niemanden. Aber ich will mit keinem mehr etwas zu tun haben, mein Herz ist zu einer Wüste geworden, und der Name Tudia hat sich mir inzwischen wie ein Zeichen des Todes eingebrannt.«
    »Dieser Schuft Vincenzo hat sich zwischen uns gestellt! Ich komme mir wie ein Tier im Käfig vor, warum hat er das getan?«
    »Er war Faschist.«
    »Von wegen Faschist! Verrückt war er! An jenem Morgen, bevor er seinem Tod entgegenging – der Tod bringt zum Reden! –, hat er mir Dinge erzählt … unaussprechliche Dinge über unseren Vater, an die allein zu denken mir unerträglich ist.«
    »Siehst du, daß die Erinnerung noch zu frisch zwischen uns steht? Laß uns warten. Vielleicht in einem Jahr, vielleicht … Wenn wenigstens Beatrice wieder zu Sinnen käme und ihre Tochter, die unschuldige Bambolina, nur einen Schluck Milch hinunterbrächte, ohne ihn zu erbrechen.Bambolina verkümmert, das läßt mir keine Ruhe. Geh jetzt!«
    »Drei Monate lang hatte ich Tag und Nacht dein Gesicht vor Augen. Komm mit mir! Jenseits dieser Insel voller Vorurteile gibt es andere Länder, ich habe sie gesehen … Ich bin nicht wie die, die mich scheel ansehen, weil ich Vincenzo nicht räche, ich habe nicht einmal versucht herauszufinden, wer es gewesen ist. Ich will nichts mehr davon wissen, es ist mir egal!«
    »Sag das nicht!«
    »Und ob ich das sage! Ich will dich, auch wenn es einer deiner Freunde gewesen sein sollte, der Vincenzo umgebracht hat, selbst wenn es dieser Jose war …«
    »Jose hat mein Haus nicht einen Augenblick lang verlassen.«
    »Du verteidigst ihn, wie? Gib zu, daß du dich auch seinetwegen verändert hast, sag es! Seit er die Insel betreten hat, bist du anders geworden.«
    »Carlos Tod hat mich verändert, Mattia, sei vernünftig.«
    »Nein, der Tod eines Schwagers kann eine Frau nicht so stark verändern!«
    »Er war ein Freund.«
    »Nein! Das glaube ich nicht. Es war dieser Jose, und wenn du es genau wissen willst, bin ich zur Beerdigung gekommen, um ihn zu sehen, nur um ihn zu sehen.«
    »Ja und?«
    »Ich habe alles gesehen! Mattia täuscht sich nicht, so ein Mann gefällt dir. Bei Gott, mit so einem mißt man sich gern! Stolz und hart wie ein Fels, und er spottet aller! Wenn es nicht um deinetwillen wäre, würde ich ihn gern zwei oder drei Dinge fragen!«
    »Er ist abgereist, Mattia, hör auf zu phantasieren. Ichwerde ihn nie wiedersehen, das habe ich in seinen Augen gelesen.«
    »Du täuschst mich nicht.«
    »So wie ich damals am Totenbett deines Vaters in deinen Augen gelesen

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