Die Unvorhersehbarkeit der Liebe
eben so gemein war, Cousinchen, aber ich bin eben einfach schlechter Laune, seit …«
Bambú: »Seit wann, schöner Prando?«
Prando: »Ach! All die Schwarzhemden! Auch heute morgen, ich wollte euch nichts sagen, um das Fest nicht zu verderben, aber selbst Carlo …«
Bambú: »Carlo, der Sohn von Lo Preti? Aber der war doch immer Sozialist!«
Prando: »Das ist es ja, Bambú, sogar der! Er sagt, ohne Parteiausweis kann er nicht an dem Mille-Miglia-Rennen teilnehmen, er sagt, innerlich lache er darüber, aber …«
Bambú: »Aber was?«
Prando: »Ich glaube allmählich nicht mehr an das ganze Gelächter. Sie lachen, aber unterdessen konnte noch nie eine fremde Besatzungsmacht so viele Wurzeln in unsere Heimat graben wie dieser verfluchte Dux! Los, kommt schon. Schluß mit dem ewigen Rumgesitze. Ich habe eine Überraschung für dich, Bambú, und für dich, Mela.«
Bambú: »Was denn für eine Überraschung?«
Prando: »Wie könnte auf der Insel ein Mitternachtsfest gefeiert werden ohne …«
Bambú: »Mandolinen, ich glaube es nicht!«
Prando: »Sondervorstellung von Barbier Don Ciccio und seinen Gesellen: Mazurka gegen Mazurka, Walzer gegen Walzer, ein Wettstreit der Melodien. Und wem am meisten einfällt, der darf an den Sternen zupfen und gewinnt einen keuschen Kuß von der Schönsten im Kreise!«
Jacopo: »Und wer soll die Schönste sein, Prando? Wer?«
Prando: »Wer weiß! Die Mandoline, die gewinnt, darf die strahlendste Gardenie auswählen, welche die Hitze der Nacht hervorgebracht hat. Da sind sie, laßt uns den Musikanten entgegengehen.«
67
»… und da kommt Don Donato aus Santa Ninfa mit seinen Jungs, jetzt sind wir komplett. Er ist der Älteste und hat sich ganz der Gitarre verschrieben. Schau, Alberto, drei Geschäfte sind hier versammelt …«
Prando erläutert die Vorgänge einem aufmerksam blikkenden jungen Mann mit feinen Gesichtszügen, wohl einem neuen Freund von der Universität:
»… Der Friseur und seine Lehrlinge sitzen im Kreis, wie an den einsamen Nachmittagen vor dem leeren Geschäft … Das ist das Schöne an dem Beruf: Morgens stutzt du ein wenig Haarspitzen und Schnurrbärte, schleifst deine Klingen – auf das Geschick kommt es an, nicht auf die Kraft –, um anschließend bis abends in Erwartung der Kundschaft auf dem Bürgersteig im Schatten der Akazien und Eichen zu sitzen und die Finger über die Saiten der Mandoline gleiten zu lassen, die empfindlich und dünn sind wie Rasierklingen. Ein Maurer, ein Packer, ein Hafenarbeiter können ihre derben Handgelenke kaum über die Saiten beugen. In Catania, Palermo, Messina gibt es die Tradition nicht mehr, die nur unter hundertjährigen Eichen erblüht. Die Bäume dort wurden gefällt, mußten einem Palast nach dem nächsten weichen, aber hier bei uns …«
In Grüppchen stehen die drei Geschäfte sich einen Moment gegenüber. Auf ein unsichtbares Zeichen hin schallt der große Wettstreit aus improvisierten Tönen und Rhythmen durch die Nacht, während ein aufgescheuchter Vogelschwarm den Melodien hinterherflattert und den Blick zum Silberglanz der Sterne entführt.
Mela: »So viele Sterne, Bambú, ich hatte sie noch gar nicht bemerkt.«
Bambú: »Der Legende nach hat die Mandoline die Macht, sie zu vervielfachen.«
Mela: »Und wie sie spielen, so ganz anders als am Konservatorium. Ich glaube, ich hätte lieber bei ihnen Unterricht nehmen sollen.«
Bambú: »Was redest du da, Mela?!«
Mela: »Still, Bambú, still. Ich möchte diese Leichtigkeit in mich aufsaugen. Oh, wenn ich sie ihnen entreißen und mein Klavier damit füllen könnte! Das Klavier ist taub, bei Gott!«
Bambú: »Was meinst du damit?«
Mela: »Still, Bambú! Woher nehmen sie nur die vielen Motive?«
Bambú: »Aus ihrem Gedächtnis, sagt Prando, aus ihrem Gedächtnis. Sie vererben sich vom Vater auf den Sohn.«
Wenn Mela und Bambú morgens am Meer sind, müssen sie nicht mehr um ihre anziehende Blässe fürchten oder darum, »unschicklich« zu erscheinen, wie es früher hieß: Dort, an ihrem Privatstrand, in der kleinen Republik, wo nur die Männer aus der Umgebung hingehen, manchmal mit ihren Schwestern, reiche und arme Studenten, die es als aufgeklärte Burschen wagen, der öffentlichen Meinung durch ihr Kommen zu trotzen. Und dies auch nur dank des Geldes … »Das Geld macht den Mann. Kein Armer wird jemals geschätzt oder geehrt werden.« Carlo lachte und Alceo zitierte Platon: »Die Republik! Wie leicht ist es, sie auf den Rücken der Heloten
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