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Die Unvorhersehbarkeit der Liebe

Die Unvorhersehbarkeit der Liebe

Titel: Die Unvorhersehbarkeit der Liebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Goliarda Sapienza
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Eindruck, von einer echten Zelle in eine etwas geräumigere umgezogen zu sein, mit genug zu essen und einer Zeitung dann und wann: einer etwas weniger streng geführten Zelle, wie Joyce damals Italien im Vergleich zu Hitlerdeutschland bezeichnete.«
    »… Zwanzig Jahre, um von vorne anzufangen. Es hat keine Revolution gegeben. Und es ist schon viel, wenn wir die Savoyer aus dem Weg räumen. Zwanzig Jahre Gewaltherrschaft und Dummheit kommen uns teuer zu stehen. Auf meiner Rückreise durch Italien habe ich so manches gehört, bei dem mir angst und bange wurde. Ich bin zu der Überzeugung gelangt, daß wir diese Jahre werden bezahlen müssen, jedes einzelne, Tag für Tag, Stunde um Stunde.«
    »Wenn ich mich nicht so schrecklich freuen würde, dich wiederzusehen, Jacopo, bei Gott, würde ich mit dir zu streiten anfangen! Aber ich will mir und Mama dieFreude nicht verderben. Sieh sie dir an, Mattia, sie ist wie ausgewechselt, zehn Jahre jünger! Hier, Jacopo, umarme deinen Bruder Prando und sei willkommen!«
    Umschlungen in der Sonne, reglos, entströmt eine glückselige Stille ihren miteinander verschmolzenen Leibern. Von dieser Stille scheint ein Ruf auszugehen, quasi auf Zehenspitzen kommen die Bewohner des Carmelo einer nach dem anderen heran und versammeln sich in der Tür: Pietro, der alte Antonio, der sich die Brille absetzt und sie mit einem frisch gewaschenen Taschentuch zu putzen beginnt, Quecksilber mit der kleinen Beatrice auf dem Arm, Crispina Hand in Hand mit Olimpia (mit ausgestrecktem Finger zeigt sie ihrer kleinen Freundin den Helden) und andere, mir neue Gesichter, Gesichter von jungen Leuten, die mit Mattia auf den Feldern arbeiten; darunter auch ein älterer Mann mit großen blauen Augen im faltigen Gesicht, der den kleinen Carlo an der Hand hält. Die Schönheit dieser alten Züge nimmt meinen Blick gefangen. Oder suche ich vielleicht nur ein fremdes Bild, um nicht von der Rührung überwältigt zu werden? Auch Bambolina klammert sich fest an mich, wie früher, als sie klein war und wir nebeneinander über den Sand der Sonne entgegenliefen und uns unseren Weg durch die sanften Wellen des Morgens bahnten. Wenn ihr das Wasser bis zum Kinn stand, murmelte sie: »O Tante, ich bin noch zu klein, ich freue mich schon, wenn ich groß bin und wie du bis zur Sonne gehen kann.«
    Jetzt spricht sie nicht von der Sonne, und obwohl ihr Arm auf meiner Hüfte ruht, muß ich mich nicht mehr hinabbeugen, um sie zu verstehen:
    »O Tante, vor lauter Freude haben wir ’Ntoni vergessen, er ist verschwunden. Wir müssen ihn sofort suchen gehen!«
    Schweigend durchsuchen wir die riesigen Räume, die riesigen Flure, auf und ab über endlose Treppen, die mit zunehmender Sorge in mir wieder den Schrecken wachrufen, der mich packte, wenn ich als Kind durch das feindselige Haus streifte.
    »Ich wußte es, er hat abgeschlossen, Tante, schnell! Glücklicherweise hatte ich so etwas geahnt …!«
    »Was, Bambú?«
    »Deshalb habe ich ihn in Onkel Jacopos Zimmer einquartiert … Komm, ich weiß, wie man in das Zimmer gelangt. Hier, hinter diesem Bild gibt es einen Durchgang, der auf der anderen Seite hinter dem großen Wandteppich endet. Los, hilf mir, es abzuhängen.«
    Nach dem dunklen Tunnel vermag ich in der blendenden Helligkeit des Zimmers nur einen Schatten vor dem weit geöffneten Fenster zu erkennen: ein erhobener Arm, als wolle er jemandem draußen im Garten zuwinken. Ich habe keine Zeit, mich an Bambolina zu wenden, die schon auf den Arm zustürzt, als ein Schuß mich die Hände zu den Ohren hochreißen und die Augen schließen läßt.
    »Laß den Revolver los, ’Ntoni, laß ihn, du hast es nicht geschafft! Du hättest mich verletzen können, weißt du das, hättest deine Bambú verletzen können!«
    »Deine Bambú« muß das Zauberwort ihrer Beziehung sein, denn das Keuchen eines gehetzten Tieres verwandelt sich in krampfhaftes Weinen, das ’Ntoni schreiend auf die Knie wirft:
    »O nein, nein, Bambú, niemals, nie würde ich dir weh tun wollen, niemals! Ich bin verrückt, verrückt! Verrückt und feige! Selbst die Tür habe ich offengelassen.«
    »Du hattest sie abgeschlossen, ’Ntoni, leider hattest du abgeschlossen. Aber deine Bambú ist nicht dumm, sie istlistig wie ein Fuchs. Weißt du noch, wie du mich dein Füchslein genannt hast, hm?«
    »O ja, ja … Wie bist du hereingekommen?«
    »Es gibt eine Geheimtür.«
    »Ich schäme mich so, Bambú! Du darfst es niemandem sagen, ich bin ein Feigling. Ich will

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