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Die Unvorhersehbarkeit der Liebe

Die Unvorhersehbarkeit der Liebe

Titel: Die Unvorhersehbarkeit der Liebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Goliarda Sapienza
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nicht untergehen würde.
    Wenn sie mich auszog, hörte ich von ihr, welche Farbe meine Haut, wie viele Leberflecke ich auf dem Rücken hatte …
    »Aber du hast ja auch eine schmale Taille, du trägst bloß kein Mieder. Siehst du, sie ist beinahe so schmal wie meine. Glaubst du mir nicht? Jetzt hole ich gleich das Maßband. Außerdem bist du größer als ich und hast breitere Hüften – und du hinkst nicht.«
    Auf dieses Wort folgten immer Tränen. Um die zu stillen, konnte ich nur das ein wenig dünnere und kürzere Bein küssen.
    »Findest du es nicht abstoßend?«
    »Aber wieso denn abstoßend? Es erfüllt mich mit Zärtlichkeit, Beatrice, wie kommst du denn darauf?«
    »Das hat auch die Tata immer gesagt. Läßt du mich von deiner Milch trinken, so wie sie?«
    »Erst hülle ich dich ganz in meine Haare ein.«
    »Ja, ich friere so.«
    Und sie tat, als sei ihr so kalt – in der Sonne –, daß sie zitterte.
    »Und das da zwischen den Beinen, was ist das?«
    »Eine Wiese.«
    »Darf ich die Lippen darauf legen und fühlen, wie weich das Gras ist?«

29
    Aber an diesem Morgen war das Gras unten auf der Wiese feucht.
    »Hast du das Gewitter heute nacht gehört? Das erste Sommergewitter. Bald wird es Herbst, Modesta.«
    Wolkenmassen, die sich am Horizont türmten, verstellten uns den Blick wie eine hohe Lavamauer. Ich hatte diese Mauer schon vergessen.
    »Bald mußt du gehen … Bleib hier bei mir, Modesta!« Inzwischen sagte sie das leise, wie ein Gebet, das nie erhört wird, oder wie einen abgenutzten Kehrreim: »Bleib hier, bleib hier.« Ich umarmte sie, damit sie nicht sah, wie sehr auch ich das wollte. Nur wenn ich das Gesicht an ihrer Schulter verbarg, konnte ich sagen:
    »Gott ruft mich.«
    Auch ich wollte jetzt nicht mehr weggehen, wo Beatrice meinen nackten Körper küßte und ich sie küssen durfte, wann immer ich wollte. Was interessierte es mich,daß auch dieses Haus eigentlich ein Kloster war und es keine Männer gab? Was interessierten mich die Männer jetzt, da ich sie hatte? Dort, wohin ich zurückkehren mußte, hatte ich nur diese einsame Liebe, von der ich inzwischen wußte, wie man sie nannte: Masturbation. Was für eine traurige Angelegenheit, etwas für Nonnen, dachte ich und mußte lachen.
    »Was ist, lachst du?«
    »Ja.«
    »Und warum?«
    »Ich weiß nicht.«
    »Weißt du, daß du ganz anders wirkst, wenn du lachst? Wenn du nur die Binden wegwerfen und ein Mieder tragen würdest! Oder wenn du dir wenigstens die Haare etwas weniger streng frisieren ließest, mit einer herabfallenden Locke, so wie ich. Quecksilber ist sehr geschickt darin.«
    »Ich würde mich nie von Quecksilber anfassen lassen.«
    »Wenn es nur das ist, ich kann das auch sehr gut und weiß, wie man einen Chignon steckt.«
    »Ich darf nicht, Beatrice. Und außerdem, was hat das jetzt noch für einen Zweck, für so kurze Zeit? Noch zwanzig Tage, und dann …«
    Wie hätte ich nicht weggehen können? Wie hätte ich vor den Augen der Fürstin und Beatrices selbst so plötzlich meine Berufung verlieren können? Und wenn Beatrice dann meiner müde würde? Nein, es war nichts zu machen.
    »Ich habe es ihr gesagt, weißt du, ich habe der Großmutter gesagt, daß sie dich nicht weggehen lassen soll, vor zwei Tagen. Aber sie hat mir nicht geantwortet. Dann hat sie mir gestern diesen Zettel geschickt, schau nur: ›Laß das Mädchen in Ruhe. Du bist genauso leichtfertigund starrköpfig wie deine Mutter. Und das weißt du auch!‹«
    »Meint sie deine Mutter, Madre Leonora? Also habt ihr darüber gesprochen?«
    »Einmal vor vielen Jahren. Das verstehst du doch, oder? Es war keine Laune, ich wollte es wissen. Hier und auch in Catania hatte ich Gerüchte gehört. Und ich habe so gedrängt, daß sie nach mir hat schicken lassen, um mir zu sagen: ›Nun gut, wenn du es unbedingt wissen willst, dein Pech.‹ Daran erinnere ich mich, aber sonst an gar nichts aus diesem Gespräch. Es ist merkwürdig, aber vielleicht wegen der Aufregung erinnere ich mich nur an den Anfang und das Ende … Das Ende war: ›Und jetzt, wo du es weißt, nennst du mich, wenn wir allein sind, Großmutter, denn meine Tochter bist du wahrhaftig nicht.‹ Aber du mußt nicht denken, daß sie das böse gemeint hat; du weißt ja, wie sie ist, sie schreit und schreit, aber eigentlich …«
    »Und sie hat dir auch von Carmine erzählt?«
    »Natürlich. Sie sagt immer, man soll entweder ganz lügen oder ganz die Wahrheit sagen.«
    Sieh einer an! Wieviel ich von dieser

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