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Die Unvorhersehbarkeit der Liebe

Die Unvorhersehbarkeit der Liebe

Titel: Die Unvorhersehbarkeit der Liebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Goliarda Sapienza
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erfahren, wie Beatrice es tat. Seltsam, Beatrice hinkte kaum noch, wenn sie den Strand entlanglief, ebensowenig wie wenn sie tanzte. Den Schritt ins Wasser zu wagen fiel mir so schwer wie nie etwas zuvor. Das Meer war hart, es drängte mich ungastlich zurück. Ich kämpfte, um diesen flüssigen Körper zu fassen, der sich mir entzog und mich von allen Seiten überraschte. Dabei verlor ich das Gleichgewicht und kroch panisch zurück, um mich wie eine Vertriebene atemlos am Strand wiederzufinden.
    »Entschuldigt, daß ich mich einmische, mein Fräulein, aber wenn Ihr weiterhin so auf die Wellen eindrescht, werdet Ihr es nie lernen. Dem Meer muß man sich hingeben. Ich beobachte Euch bereits seit zehn Minuten und … eigentlich wollte ich mich erkundigen, wie ich zur Villa Suvarita komme. Ich suche die Fürstin Brandiforti.«
    Diese Stimme, die von oben herab mit vielen weichenRs über den Sand rollte, ohne die Stille zu stören, ließ mich die vom Salz brennenden Augen heben, aber ich sah nur ein weißes, in der Sonne leuchtendes Hemd.
    »Entschuldigt meine Dreistigkeit, mein Fräulein, aber Ihr braucht einen Schwimmlehrer und ich eine Villa, die ich nicht finde. Die Villa einer gewissen …«
    »Das habe ich verstanden. Die Fürstin bin ich. Was wünscht Ihr?«
    »Oh, entschuldigt! Das hätte ich nicht gedacht. Aber was sage ich da? Bitte entschuldigt nochmals. Ich wollte Euch nicht stören. Wenn Ihr die Freundlichkeit besäßt, mir den Weg zur Villa zu weisen, dann gehe ich und warte dort auf Euch.«
    »Sucht Ihr nun mich oder die Villa?«
    »Euch, aber … Einen Moment, ich ziehe das Jackett an. Es war so heiß im Wald.«
    »Und?«
    »Ach so! Carlo Civardi ist mein Name, ich bin Arzt. Anwalt Santangelo schickt mich. Ich sehe schon, daß Ihr mich ungläubig anschaut. Daran bin ich gewöhnt, und um Euch zu beruhigen, verrate ich Euch, daß ich gar nicht so jung bin, wie ich aussehe. In einem Monat werde ich achtundzwanzig. Aber wenn mein Anblick Euch kein Vertrauen einflößt, macht Euch keine Sorgen. Auch daran bin ich gewöhnt. Ich verstehe das. Im Grunde genommen habe ich mir keine großen Hoffnungen gemacht. Sizilien gefällt mir sehr, aber leider sehe ich, daß hier noch mehr als bei uns das Vorurteil in senectute sapientia 5 herrscht.«
    »Woher kommt Ihr denn?«
    »Aus Mailand, Fürstin, einer wunderschönen, leider etwas feuchten Stadt. Um ehrlich zu sein, hatte ich leichte Gelenksbeschwerden, die mich freundlich vor den poetischen Nebeln des Nordens gewarnt und mich sozusagen in Richtung Süden auf die Suche nach der Sonne gedrängt haben. Wie schön ist doch diese Eure Insel! Ich habe sie ausgiebig bereist, bevor ich nach Catania gekommen bin.«
    »Und warum seid Ihr nach Catania gekommen?«
    »Die alte Geschichte, die jeder kennt, ganz einfach: Mein Onkel, Doktor Lenzi, ist ein Freund von Anwalt Santangelo. Ich arbeite für ihn. Wie ich sehe, seid Ihr erstaunt. Ich komme mit meinem Onkel wieder, er hat weißes Haar, und das flößt ganz offensichtlich Vertrauen ein. Zum Glück lächelt Ihr, selbst wenn ich der Anlaß dafür bin. Ich habe schon befürchtet, daß es stimmt, was Anwalt Santangelo über Euch sagt.«
    »Was sagt denn Anwalt Santangelo?«
    »Nun ja, daß Ihr ein eisernes Regiment führt. Daß …«
    »… daß ich niemandem traue, daß ich kalt bin, verschlossen und geizig.«
    »Na ja, nicht ganz so.«
    »Genau so. Anwalt Santangelo hat recht.«
    »Ja dann, wenn Ihr erlaubt, empfehle ich mich.«
    »Wo wollt Ihr denn hin? Ihr seht nicht nur aus wie ein kleiner Junge, sondern gebt auch sofort auf wie ein kleiner Junge.«
    »Findet Ihr?«
    »Warum verkleidet Ihr Euch nicht als alter Mann?«
    »Wie bitte?«
    »So wie es die Komiker machen: Brille, weiß gepuderte Haare, ein angeklebter Bart. Genau, wieso laßt Ihr Euch keinen Bart stehen?«
    »Aber ich habe doch einen Schnurrbart. Und außerdemträgt bei uns fast niemand mehr einen Bart. Das ist hygienischer.«
    »Wirklich? Das Problem ist, daß man ihn hier immer noch trägt. Warum laßt Ihr Euch keinen wachsen? Es würde Euch helfen, wenigstens wie vierundzwanzig oder fünfundzwanzig statt wie achtzehn auszusehen.«
    »Oje, nur achtzehn. Ich habe schon verstanden, entschuldigt die Störung.«
    »Einen Moment noch. Könnt Ihr schwimmen?«
    »Wie bitte?«
    »Wenn Ihr schwimmen könnt und es mir beibringt, drücke ich wegen Eures Alters ein Auge zu und vertraue Euch den Fürsten an.«
    »Ist das Erpressung?«
    »Nennt es, wie Ihr wollt. Ich muß

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