Die unwillige Braut (German Edition)
ihnen hin und her bewegten.
Sie erkannte ihn sofort wieder, obwohl sein Kopf nun völlig unter einem Helm verborgen war, dessen Nasenschutz sein Gesicht überdeckte. Ein feines Kettenhemd fiel über seinen Oberkörper bis zu den Knien. Das Hemd war geschlitzt, damit er damit reiten konnte. Tief unten auf seiner linken Hüfte hing ein Schwert, gehalten von einem Ledergurt und silbernen Schnallen. Ein kräftiger junger Knappe fütterte den großen braunen Hengst mit einer Leckerei, und Rhoese war teils verärgert, teils erstaunt, den Ritter hier zu treffen, nachdem sie überzeugt gewesen war, seinen Aufmerksamkeiten nach der vergangenen Nacht nun entkommen zu sein. Der Mönch hob den Kopf und sah die beiden Frauen an, dann beugte er sich wieder über seine Schriftrolle, so dass ihnen nichts anderes übrig blieb, als unter dem wachsamen Blick jenes Mannes näher heran zu gehen, der sich so machtvoll mit ihr bekannt gemacht hatte. Stunden später erinnerte sie sich, dass der kurze Gang ihr wie ein Marsch durch tiefen Sand erschienen und dass sie bei ihrer Ankunft außer Atem gewesen war.
Bewusst vermied sie es, ihn anzusehen, und wandte sich auf Englisch direkt an den Mönch. "Verehrter Geistlicher, ich würde gern Mylord den Erzbischof sprechen. Würdet Ihr mir bitte den Weg zu ihm weisen?"
Der Mönch sah zu ihr auf, und die Pergamentrolle wickelte sich um seine Hände. Er nahm sie und legte sie zur Seite. "Euer Name?"
"Lady Rhoese of York", erklärte sie. "Tochter des verstorbenen Lord Gamal."
"Sprecht Französisch", verlangte der Normanne. "Das ist die Sprache des Hofes, wie Ihr beide sehr wohl wisst."
Der Mönch wirkte überrascht, sah ihn aber kaum an, ehe er sich respektvoll erhob. "Lady Rhoese, gerade betrachteten wir Euer …" Auf ein Zeichen des Normannen hin verstummte er abrupt.
"Ihr betrachtetet was?" fragte sie. "Meine Güter? Ist es das, was Ihr da habt? Die Begutachtung, die vor zwei Jahren von dem Landbesitz in Yorkshire gemacht wurde? Und wer will wissen, was ich besitze? Aufdringliche Normannen und ihresgleichen?" Sie bedachte den hochgewachsenen Soldaten mit einem anklagenden Blick, aber damit bot sie keine Herausforderung für einen dreißigjährigen Captain im Dienste des Königs, der daran gewöhnt war, Männer zu befehligen, die doppelt so alt waren wie er. Sie brauchte nur Sekunden, um die Mahnung zu verstehen, die er ihr mit einem Blick unter dem Rand des Helmes hervor schickte. Derartige Bemerkungen verkneift Euch besser, sagte ihr dieser Blick. Erinnert Euch an die vergangene Nacht.
Das gebräunte, faltige Gesicht des Mönchs entspannte sich, und er schob die Hände in die Ärmel seiner fadenscheinigen, schwarzen Kutte. "Jawohl, Mylady. Ich habe sie hier, weil der König selbst sie zu sehen wünscht."
Rhoese fühlte sich, als würde ihr das Blut in den Adern gefrieren, während ein kalter Wind über das Feld voller Menschen wehte. "Meine?" flüsterte sie. "Meine Besitztümer? Seid Ihr sicher?"
"Ganz sicher. Gerade jetzt ist Seine Majestät mit Erzbischof Thomas zusammen. Ich denke, Eure Ankunft wird sie interessieren." Er schob seine Schriftrollen zusammen, als handelte es sich um Holzscheite, und klemmte sie sich unter den Arm. "Ich werde ihm dies hier bringen und ihm sagen, dass Ihr hier seid. Das wird ein wenig Zeit sparen. Würdet Ihr hier warten, bei Judhael de Brionne?" fragte er und wies auf den Soldaten. "Er wird euch begleiten, Mylady." Als Entschuldigung, weil er ihr keine Wahl ließ, schenkte er ihr die Andeutung eines Lächelns, wandte sich ab und ging davon. Rhoese blieb zurück, verwirrter denn je, und wünschte sich, niemals hierher gekommen zu sein.
Der Normanne hatte sie kaum aus den Augen gelassen. "Soweit ich es verstanden habe, seid Ihr über die Beschlagnahme der Güter Eures verstorbenen Vaters informiert", stellte er fest. "Seid Ihr deshalb gekommen? Um die Rückgabe zu erbitten?"
Ihr ging ganz kurz der Gedanke durch den Kopf, dass es diesen Mann kaum kümmern konnte, ob sie davon gehört hatte oder nicht, andernfalls hätte er so kurz vor ihrer Begegnung mit dem König nicht so beiläufig darüber gesprochen. Wieder einmal flammte ihr Zorn darüber auf, wie schnell englisches Land und englisches Eigentum in normannischen Taschen verschwanden. "Für Euch ist das ein Spiel, nicht wahr?" fuhr sie ihn an. "Wer bekommt am meisten, am schnellsten alles, wie viele Generationen es auch besessen haben mögen. Genau wie Eure Vorfahren, die Wikinger. Nein, Normanne, ich
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