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Die Unzertrennlichen

Die Unzertrennlichen

Titel: Die Unzertrennlichen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lilian Faschinger
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Häuser und füllt die Särge. Das weiß jeder.«
    Ich vermied ihren Blick und schaute geradeaus. Die Hypothesen der Signora waren mir peinlich. Und ein bisschen unheimlich. Da sah ich Mirella an der offenen Tür vorübergehen. Sie bedeutete mir mit einer kleinen Geste, ihr zu folgen.
    Die Dame des Hauses richtete sich wieder auf, küsste geschwind das kleine rote Hörnchen an ihrer Halskette und sprach in normalem Ton weiter. »Die Signora Regina war öfter in der Trattoria Gabriela. Was soll ich Ihnen sagen?« Sie hob die Schultern, breitete die Arme aus und zog die Mundwinkel hinunter. »Peppina hat sie gesehen und auf der Stelle glühend beneidet. Ist es ein Wunder? Und der missgünstige Blick einer Schielenden ist ein starker Schadenzauber. Leider konnte sich die Signora, dieses Lämmchen, naiv und gutgläubig, wie sie war, nicht dagegen wehren. Sie hat von niemandem schlecht gedacht, das edle Geschöpf! Sicher war ihr nicht einmal die corna bekannt, die Geste, mit der man sich schützen kann.« Die Wirtin hob die Hand, spreizte den Zeigefinger und den kleinen Finger von der Faust ab und stieß sie mir entgegen. »Ach, ihr Touristen aus dem Norden seid doch völlig ahnungslos«, sagte sie dann resigniert, ließ die Hand fallen, drehte sich um und verließ den Raum. Gleich darauf stand auch ich von meinem Tisch auf und ging zurück in mein Zimmer.

7
    Wie ich erwartet hatte, saß Mirella auf meinem Bett, die Puppe mit den steifen schwarzen Haaren und den Pausbacken im Arm. Als ich eintrat, sprang sie auf und legte sie weg.
    »Ich habe Ihnen den – also, diesen Stick mitgebracht«, sagte sie und lächelte mich unsicher an. Sie brauchte wirklich eine Zahnspange. »Meine Schwestern und ich, wir sind froh, dass wir ihn los sind. Wir können ohnehin nichts damit anfangen. Wenn wir jetzt erst damit zur Polizei gingen, würden wir uns doch nur lächerlich machen, nicht? Oder sogar verdächtig?« Sie starrte mich erschrocken an. »Da, nehmen Sie«, sagte sie dann, griff rasch in die Tasche ihrer weißen Schürze, drückte mir den USB -Stick in die Hand und ging zur Tür. Sie schien es eilig zu haben.
    »Ich muss auf den Fischmarkt, nach Pozzuoli«, sagte sie. »Wenn ich die Fähre versäume, wird die Signora böse. Auf Wiedersehen.«
    »Danke«, sagte ich, »vielen Dank.«
    Ich hatte ihr einen Geldschein zustecken wollen, aber sie war schon verschwunden. Sofort schaltete ich meinen Laptop ein, der auf einem Holztisch unter einem der drei Fenster stand, und schob den USB -Stick in die Schnittstelle. Es war so einfach: Ein paar Sekunden später hatte ich Zugang zu Reginas Aufzeichnungen. Weder Benutzername noch Passwort wurden verlangt. Diese Sorglosigkeit wunderte mich – aber im Grunde war sie nicht untypisch für meine ehemals beste Freundin. Sie hatte es als unter ihrer Würde betrachtet, Dinge zu verbergen, war immer offen und direkt gewesen.
    »Ein ehrlicher Mensch, Regina, du kannst dich glücklich schätzen, eine solche Bekannte zu haben«, hatte meine Großmutter öfter als einmal festgestellt. »Grundehrlich und grundanständig, ein untadeliger Charakter. Und aus so guter Familie!« Dann hatte sie mich kritisch gemustert und hinzugefügt: »Manchmal frage ich mich, was sie an dir findet. Rätselhaft. Jedenfalls kannst du sie dir zum Vorbild nehmen.«
    Von ihrem ersten Besuch im Sausal an war Regina im Haus der Großeltern ein gerngesehener Gast gewesen. Der Großvater hatte sich zwar nie persönlich über sie geäußert, das entsprach nicht seiner Art. Aber man merkte, dass ihm ihre Anwesenheit angenehm war. Auch meine Onkel und Tanten hatten sie sehr sympathisch gefunden. Manchmal fragte ich mich, weshalb sie mich nicht verstießen und Regina adoptierten, es wäre naheliegend gewesen. Alle bevorzugten sie, alle hatten sie lieber als mich.
    Nur meine Kusine Imelda, die damals noch ein Kind war, konnte sie nicht leiden. »Regina ist eine eitle Gans«, verkündete sie. »Eine eitle Stadtgans.«
    Auch mein Vater war skeptisch.
    »Reizend, deine Freundin, ganz reizend«, hatte er mit ironischem Unterton zu mir gesagt, nachdem er sie kennengelernt hatte. »Eine schöne Seele. Fast zu schön, um wahr zu sein.«
    Trotz des Neides, den ich empfand, weil jeder Regina auf Anhieb mochte, weil alle Herzen ihr zuflogen, war ich wütend über seine Reaktion gewesen.
    Meine Gefühle unmittelbar vor dem Öffnen der Dateien waren zwiespältig. Welche Informationen auch immer auf Reginas USB -Stick gespeichert waren, sie waren

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