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Die Unzertrennlichen

Die Unzertrennlichen

Titel: Die Unzertrennlichen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lilian Faschinger
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sich ihrer bedient.
    Endlich ist sie abgereist, meine alte Freundin, ich atme auf. Ihre Ungeschicklichkeit macht mich rasend, sie hat die Begabung, anderen ununterbrochen im Weg zu stehen, vor allem, wenn es ihre Absicht ist, ihnen behilflich zu sein. Die langen, dünnen Arme und Beine, mit denen sie überall anstößt – enervierend! Die fahrigen Bewegungen! Sie erinnert mich an diese Spinne mit den langen Beinen. Weberknecht. Und das fliehende Kinn, das sie so beschränkt aussehen läßt! Insofern ist ihre ärgerliche Art, mich anzuhimmeln, begreiflich, natürlich kann sie sich äußerlich nicht im Entferntesten mit mir vergleichen. Etwas unglücklich, ihr Erscheinungsbild, das muß ihr klar sein. Unweiblich. Flach wie ein Brett. Und die ein Meter achtzig, die sie mißt! Sie müßte sich ganz anders anziehen, ich wüßte auch genau, wie, werde mich aber hüten, ihr zu raten. Mein Interesse an der Förderung weiblicher Konkurrenz hält sich in Grenzen. Schließlich gibt es Spiegel, in denen man sich betrachten kann. Wie ich damals – «
    Jemand klopfte an die Zimmertür.
    »Herein!«, sagte ich.
    Es war die Pensionswirtin.
    »Wollen Sie vielleicht heute hier zu Abend essen?«, fragte sie und lächelte ihr Raubtierlächeln. »Es gibt Sgombri alla marinara, frisch mariniert, mit Minze, Petersilie und Lorbeerblättern. Eines meiner Lieblingsrezepte, es kommt bei den Gästen sehr gut an.«
    Ich dachte an das Schicksal des bedauernswerten Herrn Frijhoff aus Utrecht, von dem Achille mir erzählt hatte. Nein, diese Makrelen würde ich nicht essen. Allerdings war es nicht ratsam, Signora Smaldone durch brüske Ablehnung zu verärgern.
    »Ach, das möchte ich gern, aber unglücklicherweise bin ich heute Abend zum Essen eingeladen«, log ich.
    Das war einfach gewesen.
    Das artifizielle Lächeln verschwand, und die haselnussbraunen Augen der Signora rundeten sich ungläubig.
    »Eingeladen? Sie? Von wem denn? Eingeladen? Na, wenn das so ist …«
    Sie schloss beleidigt die Tür, das energische Klicken der Absätze ihrer kirschroten Sandalen entfernte sich rasch.
    Ich lehnte mich auf meinem unbequemen Sessel zurück und wunderte mich darüber, dass ich nach dem Schock, den die Lektüre von Reginas Journal mir versetzt hatte, überhaupt fähig gewesen war, auch nur ein Wort herauszubringen. Ich war mir sicher gewesen, dass ich auf etwas Wichtiges stoßen würde, und ich hatte mich nicht geirrt: Aus dem Tagebuch trat mir eine Frau entgegen, die zwei Seiten hatte, die völlig gespalten war. Eine, die mir ihre Freundschaft nur vorgespielt und mich insgeheim verachtet, über mich gelacht hatte. Die mich hasste! Es war ein Täuschung, die ich nicht begriff. Ich hatte ihr keinen Anlass zu der spöttischen Geringschätzung gegeben, mit der sie mich beschrieb, konnte ihre bösartige Beurteilung meiner Person, ihre hochmütige Abwertung nicht verstehen. Meines Wissens hatte ich mich immer loyal verhalten. Und ich hatte nichts gemerkt, nichts gespürt, hatte die leichte Entfremdung während der letzten Jahre der Tatsache zugeschrieben, dass wir an verschiedenen Orten lebten und beide beruflich gefordert waren, uns mit unterschiedlichen Dingen befassten. Wie hatte ich dermaßen ahnungslos sein und mit einem so unerschütterlichen Vertrauen an dieser Freundschaft festhalten können, fast zwanzig Jahre lang? Weshalb hatte sie sich nicht klar und bestimmt von mir abgewendet, wenn ihre Empfindungen mir gegenüber derart negativ gewesen waren? Nach außen hin war sie immer liebenswürdig und freimütig gewesen, rücksichtsvoll und hilfsbereit. Nie hatte ich Grund gehabt, an ihren freundschaftlichen Gefühlen zu zweifeln. Hatte es ihr Freude gemacht, dieses perverse Spiel mit mir zu treiben?
    Ich suchte fieberhaft nach Erklärungen. Vielleicht war das Tagebuch als Fiktion zu betrachten? Regina hatte gelegentlich geschrieben, Kurzgeschichten, Gedichte. Sofort verwarf ich diese Deutung wieder. Nein, hier war nichts erfunden worden, es war das, was sie in Wahrheit dachte. Ich las weiter, konnte nicht anders.
    »Wie ich damals, in unserem ersten Studienjahr in Wien, Lust verspüren konnte, sie zu verführen, ist mir unbegreiflich. Heute würde ich ihren mageren Körper, ihre ungeschickten Gesten als abstoßend empfinden. Zu meiner Rechtfertigung läßt sich sagen, daß es nur einmal vorkam und daß ich betrunken war. Ich kann mir mein Verhalten nur damit erklären, daß ich die Anziehungskraft, die ich von Anfang an auf Sissi ausübte, genießen,

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