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Die uralte Metropole Bd. 2 - Lilith

Die uralte Metropole Bd. 2 - Lilith

Titel: Die uralte Metropole Bd. 2 - Lilith Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Marzi
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diejenige zu sein, die kneift.«
    Diese Antwort schien ihn zufrieden zu stellen: »Bestens!«
    Ich blickte kurz zu den im Nebel versteckten Wäldern und fragte mich, was uns dort erwarten würde. Das aufgeregte Gebahren der Dorfbewohner machte mir Angst. Die Frauen klagten weinend und betend, und ihr Gejammer zerrte an meinen Nerven. Die Männer diskutierten heftig. Es schien Uneinigkeit bezüglich der weiteren Vorgehensweise zu herrschen. Argumente wurden lauthals gewechselt. In den dunklen Stimmen schwang die Furcht vor dem Unbekannten mit, welchem man in den Wäldern begegnen konnte. Hin und wieder fielen die Namen Vrolok und Stregoica. Einer der Männer, ein fetter Bauer mit dichtem Schnauzbart und breitkrempigem Hut, deutete in die Richtung des Berges, der sich irgendwo in der von ihm angedeuteten Richtung im Nebel befinden musste, und sagte etwas über die Gräfin Hunyady, worauf die anderen Männer sich erneut in wilden Wortgefechten verloren. Es war unmöglich zu erkennen, worum es im Detail ging.
    »Sie sehen nicht gut aus«, bemerkte Tibor, der neben mir aufgetaucht war.
    »Ich habe mich schon besser gefühlt«, gestand ich und empfand die Besorgnis in seinen dunklen Augen als überaus tröstlich. Zu wissen, dass es jemanden gab, der sich um einen sorgte, war nicht das schlechteste Gefühl, wenngleich mich die alten Skrupel, weil Tibor sich vielleicht falsche Hoffnungen machte, überkamen.
    »Dies ist eine unheilige Gegend«, murmelte Tibor.
    Ich schwieg.
    Die Männer schienen nun zu einer Einigung zu kommen. Ihre Worte mäßigten sich und wurden ruhiger. Die ernsten Gesichter unter den Fellmützen nickten einander einstimmig zu, und dann sagte der Wortführer etwas zum Doktor.
    »Wenn sie umgehend aufbrechen«, übersetzte es mir Tibor, »dann besteht noch die Hoffnung, der Spur des Jungen folgen zu können.« Er deutete mit einer kurzen Kopfbewegung hinab zum feuchten Untergrund. »Die Spuren der Stregoica oder des Vrolok sind noch frisch. Es wird für geübte Augen ein Leichtes sein, ihnen zu folgen.«
    Ich begegnete dem Blick meines Bruders, der in langem Mantel und Hut neben dem Doktor stand und sich mit geübter Hand eine Zigarre ansteckte. Wortlos nickend, stimmte ich dem Vorhaben zu, worauf Tom den Bauern mitteilen ließ, dass Herr Vanko, Doktor Pickwick sowie Miss Holland und er selbst an der Suche teilzunehmen gedachten. Die Bauern nahmen dies mit ausdruckslosen Gesichtern zur Kenntnis.
    So war es also eine beschlossene Sache.
    Nachdem wir alle kurz ins Wirtshaus zurückgekehrt waren, um uns für die Suche zu rüsten, brachen wir auf. Herr Vályi offerierte uns sogar zwei seiner Gewehre. Da ich im Umgang mit Waffen ungeübt war, erbot sich Doktor Pickwick, das Gewehr zu nehmen und mir dafür eine kleine, handliche Pistole zu überlassen, die er plötzlich unter seinem Mantel hervorzauberte. Er bemerkte meine Überraschung und sagte nur: »In manchen Zeiten ist es leichtfertig, ohne ausreichenden Schutz zu reisen.« Mit diesen Worten legte er die kalte Waffe in meine behandschuhte Hand. Ich war überrascht, wie schwer sich die Pistole anfühlte, und der Gedanke, dass dieser Gegenstand dazu in der Lage war, jemanden zu töten, war höchst befremdlich. Dennoch nahm ich die Waffe dankend entgegen, und als wir Aghiresu verließen und kurz darauf in die dichten Wälder hineinritten, war ich froh, das schwere Metall in meinem Mantel zu spüren.
    Mit uns ritten Herr Vályi und Sohn sowie zwei kräftige Bauern mit roten Gesichtern und wachsamen dunklen Augen, die langen Gewehre allzeit griffbereit am Sattel ihrer großen Pferde. Lajos Csuha, der sich aufs Jagen und Fährtenlesen verstand, führte unseren Suchtrupp an. Ihm folgte sein ähnlich erfahrener Bruder Béla, dessen mandelförmige Augen in dem runden, unbeweglichen Gesicht an die Reiterscharen uralter Steppenvölker erinnerten, die vor langer Zeit die ungarische Ebene heimgesucht und dort ihr Erbe hinterlassen hatten. György Tucsek, der Schmied, dessen kleinen Sohn wir zu finden versuchten, ritt auf einem braunen Ackergaul direkt hinter den beiden Brüdern, leise Gebete vor sich hinmurmelnd.
    Die Kälte war garstig. Die Pferde schnaubten ihren Atem in den Nebel, und ihre Hufe versanken tief im Schlamm. Ich hatte meinen Mantel eng um mich geschlungen und suchte hinter dem hochgeschlagenen Kragen und unter der Mütze Schutz vor dem unwirtlichen Wetter.
    Die Wälder, in die wir schon kurz nach dem Verlassen der Dorfgrenzen hineinritten, schienen

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