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Die uralte Metropole Bd. 2 - Lilith

Die uralte Metropole Bd. 2 - Lilith

Titel: Die uralte Metropole Bd. 2 - Lilith Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Marzi
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genickt.
    Und Lady Mina hatte die Schnauze gerümpft.
    Sie riechen aber alles andere als lebendig.
    Ahmed Gurgar, der keine Ratten verstand, hatte dem Tier, das für seine ungeübten Ohren nichts als piepsende Laute von sich gegeben hatte, nur einen befremdeten Blick zugeworfen, sich aber nicht weiter zu der auf der Schulter des Mädchens sitzenden Rättin geäußert.
    »Saint Lazare vermietet die Leichname der umliegenden Friedhöfe und sogar einige aus den Katakomben an die CIWL«, hatte er uns geduldig erklärt. »Natürlich im Einverständnis mit den Angehörigen der Verstorbenen.«
    Emily hatte sich an die Geschichte erinnert, die sie während einer der sonntäglichen Gottesdienste im Waisenhaus gehört hatte. Mit feuriger Leidenschaft hatte der Reverend von einem Mann namens Lazarus berichtet, dessen Tod von seinen Angehörigen beklagt worden war und dem vom guten Menschenfischer neues Leben eingehaucht worden war und der fortan wieder durch die Gassen seines Dorfes hatte wandeln dürfen.
    »Lazarus ist schon vor langer Zeit nach Paris gekommen«, hatte Ahmed Gurgar erläutert, was er selbst nur aus Büchern wissen konnte, »und hat das, was er damals am eigenen Leib erfahren hatte, zu seiner Berufung gemacht.«
    »Er umgeht den Tod und erschafft neues Leben?«
    »Nein«, hatte mich unser Begleiter verbessert. »Er nimmt den Tod aus dem Körper. Entfernt ihn, bis nurmehr Leben übrig bleibt.«
    »Ist das nicht das Gleiche?«
    »Nein, ist es nicht, Mademoiselle.«
    Emily hatte kurz über diese Bemerkung nachgedacht.
    Geschaudert.
    »Darf er das?«
    Dieses Kind!
    »Würde er es sonst tun?«
    »Er begibt sich einfach auf die Friedhöfe und nimmt die Leichen mit?« Emily hatte dies nicht als redliches Verhalten empfunden.
    »Die Angehörigen der Toten überlassen ihm gegen ein gewisses Entgelt die Leichname ihrer lieben Verstorbenen, und Lazarus setzt in ihnen dann erneut Leben frei.« Die dunklen Augen des Ägypters hatten überaus ernst gewirkt. »Leben bedeutet aber nicht Bewusstsein.«
    »Sie meinen, die Leichname wissen nicht mehr, wer sie einst gewesen sind?«
    »Sie werden zu Lazarus-Menschen, sobald sie die Masken tragen. Und sie leben, wie es die meisten Menschen tun. Ohne Bewusstsein dessen, was eigentlich das Leben ausmacht. Sie gehen ihrer Arbeit nach und tun das, was man ihnen aufträgt. Sie essen, weil das Fleisch Nahrung braucht, und trinken, wenn der Durst sie plagt. Doch, sagen Sie mir, ist dies wirklich Leben zu nennen? Sie sind eben einfach nur da und erfüllen ihre Aufgabe.«
    Ob es wirklich so einfach war?
    »Wie macht er das?«
    »Sie zum Leben erwecken?«
    »Ja.«
    »Es hat etwas mit den Inschriften auf den Holzmasken zu tun«, hatte Ahmed Gurgar zu erklären versucht, »doch welche Bedeutung diesen Symbolen genau zukommt, kann keiner sagen. Niemand außer dem heiligen Lazarus persönlich kennt das Geheimnis.«
    »Und er selbst hüllt sich in Schweigen?«
    »Natürlich, immerhin ist dies das Geschäft, mit dem er sein Geld verdient. Und wäre es nicht ziemlich unklug, das Geheimnis seines Geschäfts zu verraten?«
    Ein Aspekt, über den man hätte streiten können.
    Nun denn.
    Da wir mit wenig Gepäck reisten, hatten wir die Dienste der Lazarus-Menschen nicht in Anspruch nehmen müssen, was uns beiden nur allzu recht gewesen war. Emily, das war unschwer zu erkennen gewesen, hatte sich vor den seltsamen Menschen mit den Holzmasken gefürchtet.
    »Einige von ihnen«, hatte Emily mir angewidert zugeflüstert, »riechen nicht gerade gut.« Was noch höchst zurückhaltend ausgedrückt war.
    Ahmed Gurgar, dem der Kommentar nicht entgangen war, hatte bereitwillig erklärt: »Der Zerfall kann von Lazarus nur aufgehalten, nicht aber verhindert werden, was zwangsläufig dazu führt, dass es, nun, sagen wir: Funktionsstörungen geben kann, nach einiger Zeit des … Gebrauchs. Die betreffende Personen müssen dann ausgetauscht werden.«
    Emily hatte schlucken müssen. »Sie meinen, die Lazarus-Menschen zerfallen langsam, während sie hier unten arbeiten?« Für den Ägypter schien dies alles ganz normal zu sein.
    »Ja, deshalb tragen sie auch die Masken. Denn wenn Fäulnis und Verwesung Besitz von den Gesichtern ergreifen, sind diese letzten Endes kein besonders schöner Anblick mehr, und die CIWL will schließlich keine Kunden verlieren.«
    »Dies alles«, hatte ich es freundlich zu umschreiben versucht, »ist sehr befremdlich für uns.«
    Emily war wohl gleicher Meinung gewesen, denn sie war ganz dicht

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