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Die uralte Metropole Bd. 3 - Lumen

Die uralte Metropole Bd. 3 - Lumen

Titel: Die uralte Metropole Bd. 3 - Lumen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Marzi
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in der richtigen Kathedrale dort gar nicht gab und der ein Schrein war. Ein klobiger Kasten aus glänzendem Holz, auf dem zwei verwitterte Figuren hockten, die eine Mischung aus Löwe und Vogel zu sein schienen.
    Aus dem Kasten wuchs eine missgestaltete Pflanze heraus, die sieben lange Äste hatte. Wie Tentakel bewegten sich diese umher, als suchten sie in der Luft nach Beute.
    Das Mädchen bemerkte den Schrein erst, als der Mala’ak ha-Mawet auf Neil zusprang. Zuvor hatte der Körper des Gabrielkriegers die Sicht darauf verdeckt. Vielleicht, dachte Aurora in dem Moment, war der Schrein auch vorher gar nicht da gewesen.
    Wer konnte das schon mit Gewissheit sagen? Ihr jedenfalls war er nicht aufgefallen, als sie die Kathedrale betreten hatten. Doch dies war die Hölle. Noch schlimmer: der Limbus.
    War hier nicht alles möglich?
    Wie in Zeitlupe registrierte das Mädchen, was geschah.
    Neil schrie geradezu panisch.
    Der Mala’ak ha-Mawet prallte gegen den Jungen und riss ihn gewaltsam zu Boden. Die Krallen, die des Engels lange Finger jetzt waren, bohrten sich in die blaue Seemannsjacke aus festem Stoff hinein.
    Das fratzenhafte Gesicht schien förmlich in zwei Hälften zu zerfallen, als der Mala’ak ha-Mawet den Mund öffnete und die vielen Zahnreihen entblößte.
    »Nein!«, schrie Aurora.
    Der Mala’ak ha-Mawet sah sie aus seinen dunklen Augen an, und tief in der Finsternis glaubte Aurora Belustigung zu erkennen. Ja, er liebte es, mit der Beute zu spielen.
    Bevor er sie tötete.
    Neil wusste das.
    Er roch den Atem des Mala’ak ha-Mawet, und die Krallen des Wesens bohrten sich durch den festen Stoff seiner Jacke bis in die Haut hinein. Mit dem Haifischmaul würde der Engel ihm mit einem einzigen Bissen das ganze Gesicht wegreißen können.
    Aurora, die gar nicht mehr wusste, was sie tun sollte, griff nach dem nächstbesten Gegenstand.
    Ein Kerzenständer war es.
    Er war schwer.
    Aus Eisen.
    Und alt.
    Trotzdem hob sie ihn hoch über den Kopf und ließ ihn auf den Schädel des Mala’ak ha-Mawet niedersausen. Sie malte sich aus, wie der dunkle Engel das Bewusstsein verlieren und zur Seite kippen würde. Neil und sie hätten dann ein wenig Zeit gewonnen, um sich einen Fluchtweg zu suchen.
    Es würde alles gut werden und …
    Mit einer flinken Bewegung, die Aurora kaum wahrzunehmen vermochte, packte der Mala’ak ha-Mawet den Kerzenständer und entriss ihn dem Mädchen.
    »Lass das!«, fauchte er sie an.
    Nicht einmal böse.
    Sondern so, als wolle er ein lästiges Insekt vertreiben.
    Aurora wurde zu Boden geschleudert und starrte direkt auf den Schrein, der von den Wurzeln der Pflanze umgeben war. Das Gewächs sah irgendwie aus wie eine kleinere Ausgabe von Pairidaezas Stock. Ihr fiel ein, dass Emily etwas von einer Pflanze erzählt hatte. Nach dem Gespräch mit Marlowe in der Bibliothek von Pandaemonium. Doch war Aurora so sehr mit ihren Gedanken bei Neil gewesen, dass sie ihrer Freundin nur halbherzig zugehört hatte.
    Dies könnte natürlich der Schrein sein, von dem alle gesprochen hatten.
    Die Lade des Bundes.
    Doch nein!
    Sollte die Lade nicht im Tempel des Salomon sein, den zu finden Emily, Marlowe und Wittgenstein nach Prag gereist waren? Wie konnte es sein, dass die Lade nun im Limbus war?
    Zu viele Fragen, dachte Aurora.
    Ihr blieb keine Zeit mehr.
    Der Mala’ak ha-Mawet hockte auf Neil, der sich aus dem Griff des Engels mit verzweifelten Schlägen zu befreien versuchte, dies jedoch ohne Erfolg. Mit den Fäusten hieb er auf die Brust des Wesens ein, zerrte an den Flügeln und schlug ihm sogar einmal mitten ins Gesicht.
    Der Mala’ak ha-Mawet lachte nur höhnisch.
    Dann packte er den Kopf des Jungen mit beiden Händen.
    »Ich könnte ihn dir abreißen oder mit den Daumen in deinen Augen herumstochern.« Seine Stimme war ein Krächzen. »Was würde dir besser gefallen?«
    »Fahr zur Hölle«, spie ihm Neil seine Verachtung entgegen.
    Mit einem Schnauben ließ der Mala’ak ha-Mawet den Kopf los.
    Neil drehte den Kopf zur Seite, und als er Aurora auf dem Boden liegen sah, da erkannte sie die Besorgnis in seinen Augen. Selbst jetzt, dachte sie traurig, sorgt er sich mehr um mich als um sich selbst. »Lauf weg!«, schrie er ihr zu. »Lauf weg, wenn es irgendwie geht.«
    Der Mala’ak ha-Mawet sah das Mädchen ebenfalls an: »Ja, lauf weg. So weit es geht.« Er kicherte, was sich eher wie ein Knurren anhörte. »Dein Limbus wird doch stets das sein, wovor du dich fürchtest.« Er lachte laut auf, und Aurora

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