Die uralte Metropole Bd. 4 - Somnia
wunderschöne Erinnerungen mit diesem Namen, das war alles.
Deswegen Rima Hawthorne.
Die weiteren Angaben, die man wünschte, waren kaum mehr als eine reine Formalität: alleinstehend, aus Bedfordshire
kommend, von Beruf Näherin, Zielort Manna-hata , mit einer Anstellung bei der Triangle Waist Company in Aussicht. Master Micklewhite hatte ein Empfehlungsschreiben verfasst, das ich dem jungen Beamten unter die Nase hielt.
Das war alles.
So betrat ich also die Neue Welt.
Niemand sah mir an, dass ich schwanger war. Die Kleidung, schwere Röcke und ein Mantel, ließen nichts erkennen. Du warst mein Geheimnis, süße Scarlet, bist es noch immer.
Damit durfte ich Ellis Island verlassen.
Jetzt bin ich in Manna-hata .
Wir haben es geschafft.
Die Lower East Side ist mein Zuhause, seit Monaten schon.
Ich fand recht schnell eine Anstellung bei einem Krämer in der East Houston Street, keinen Block von meiner Unterkunft entfernt. Die beiden Zimmer teile ich mir mit einer fünfköpfigen irischen Familie, den O’Brians.
Die Mietskasernen sind so übervölkert, überall. Neue Immigranten strömen in die Straßen des Viertels. Russen, Armenier, Italiener, Polen, Griechen, Ungarn und bestimmt ein halbes Dutzend weiterer Nationalitäten. Eine andere Wohngegend können sich die Armen nicht leisten.
Dass dieser Zustand nicht von Dauer sein kann, ist mir klar.
Es dauert nicht mehr lange, und Du wirst das Licht der Welt erblicken. Dann wird mein Leben eine neue Wendung nehmen. Ich bin dann eine Mutter, allein. Es ist nicht sehr schwierig, eine Anstellung zu finden. Aber wenn Du bei mir bist, dann wird alles anders werden.
Andauernd zerbreche ich mir den Kopf deswegen.
Ich habe einen Brief an Maurice Micklewhite verfasst und ihm berichtet, wie es mir geht. Das, mein Kind, ist die Vereinbarung, die wir getroffen haben. Er will mir schreiben, das hat er mir versprochen. Er will mir schreiben, damit ich weiß, dass es Mortimer gut geht.
Nie will er mir mehr schreiben, keine Details.
»Wenn es ihm gut geht«, hat er gesagt, als wir am Kai auf das Boot warteten, »dann werde ich nur diese Worte schreiben: Es geht ihm gut .«
Wir wussten beide, dass dies die beste Lösung war. Mehr von Mortimer zu erfahren, von dem neuen Leben, das er führen würde … nein, das wäre nicht gut. Und Mortimer, das versprach Micklewhite, würde niemals erfahren, dass es die Briefe gab. Er ist ein starrköpfiger Mensch, und beide wussten wir, dass er versuchen würde, zu mir zu gelangen. Er würde nach Lösungen zu suchen beginnen, die es nicht gibt. Deshalb die Vereinbarung.
Ja, meine kleine Scarlet, ich lebe jetzt in New York.
Ich bin allein, obwohl immer andere Menschen um mich herum sind.
Du wirst schon bald bei mir sein.
Ich kann es kaum erwarten.
Ich habe solche Angst davor.
Gestern erreichte mich ein Brief aus London. Er enthielt ein versiegeltes Schreiben und die Anweisung, mich damit nach Staten Island zu begeben. Jetzt bin ich auf der Fähre, die mich dorthin bringt. Die Adresse, zu der ich mich mit dem Brief in der Hand begeben soll, ist 912 Richmond Terrace, nahe der Tyson Street. Dort würde man sich meiner annehmen.
Micklewhite House, so lautet der Name des Anwesens, in dessen Obhut ich mich begeben soll.
Kann ich diese Hilfe annehmen? Ist es ein Almosen? Ich fühle mich nicht gut dabei.
Aber was soll eine junge Frau in meiner Situation sonst tun? Ich bin allein. Wenn Du bei mir bist, kleine Scarlet, dann kann ich nicht arbeiten. Nicht so viel, dass mein Lohn uns beide ernährt.
Die Fähre legt an. Ich gehe von Bord. Wünsch mir Glück.
Sie waren sehr nett zu mir, wenngleich mir Master Marcus Micklewhite, der seinem Bruder fast zum Verwechseln ähnlich sieht, zu Beginn unseres Gesprächs ein wenig verhalten gegenübertrat. Er las den Brief, den ich in meiner zitternden Hand hielt, und ab und zu nickte er.
Micklewhite House ist ein vornehmes Anwesen mit einem Rasen und mächtigen Säulen und einer Veranda, die das Haus von allen Seiten umgibt. Korbmöbel und Schaukeln stehen auf der Veranda, und es gibt Windhunde, die müde und artig im Schatten liegen. Alles ist so vornehm, so elegant, und ich bin nur eine junge Frau von der Lower East Side. Mein Haar sieht nicht schön aus, und die Kleider, die ich trage, müssen wohlhabenden Leuten wie den Micklewhites wie schäbigste Lumpen erscheinen. Dafür besitze ich Umgangsformen, die einen über das Äußere hinwegsehen lassen. Hoffe ich.
Mrs. Micklewhite, die
Weitere Kostenlose Bücher