Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die uralte Metropole Bd. 4 - Somnia

Die uralte Metropole Bd. 4 - Somnia

Titel: Die uralte Metropole Bd. 4 - Somnia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Marzi
Vom Netzwerk:
Deut in die richtige Richtung bewegt.
    Das Labyrinth entsprang an dieser Stelle.
    Dies war der Ursprung.
    Der Drache mit den goldenen Schuppen, die Skulptur, sie war der Anfang und das Ende. Die Mauern wurden hier geboren und liefen auch hier wieder zusammen.
    »Mistress Atwood!« Scarlet schrie auf. Ein Seidenfaden hatte sich um ihren Knöchel gewickelt.
    Sie stolperte.
    Stürzte.
    Schrie erneut auf, als sie in den Sand fiel. Der Sand war grün im Zentrum des Labyrinths.
    Sofort seilten sich zwei Seidenspinnerraupen aus der Höhe ab und begannen sie zu umwickeln. Scarlet zerrte an den Fäden, aber sie waren klebrig und fest. Es gab keine Möglichkeit, ihnen zu entrinnen. Jetzt, da sie bewegungsunfähig am Boden lag, kamen immer mehr Seidenspinnerraupen aus ihren Verstecken, krochen am Boden entlang, seilten sich aus der Höhe ab, sprangen von den Wänden herunter.
    Scarlet krümmte sich.
    Ich rannte zu ihr.
    Mit Gedanken und den eigenen Händen riss ich die Seidenspinnerraupen von ihrem Körper.
    Sie fühlten sich weich an, ohne Kontur. Eine breiige Masse, die sich bewegte. Deren Fleisch pulsierte. Sie benetzten mir die Hände mit den klebrigen Fäden, und plötzlich spürte auch ich mehrere der Tiere auf meinem Körper. Etwas verfing sich in meinen Haaren.
    Ich stürzte, lag neben Scarlet im Dreck.
    Na toll.
    Die Seidenspinnerraupen waren überall. Mit einer zähen und gleichsam hungrigen Langsamkeit, die einen innerlich
kreischen ließ, kamen sie auf uns zu. Es wurden immer mehr. Ich hatte keine Ahnung, wo sie alle herkamen mit ihren ungemein wulstigen Leibern.
    Sie kamen.
    Und wir wurden eingesponnen.
    Scarlets vor Schreck geweitete Augen starrten mich an.
    Ein Grollen ertönte, so tief und mächtig, dass der Sand selbst von den Mauersteinen bröckelte.
    Die Seidenspinnerraupen hielten inne, dann ließen sie uns allein. So schnell, wie sie über uns gekommen waren, so schnell waren sie auf einmal auch wieder verschwunden.
    Überall fiel Sand von den Mauern. Etwas erschütterte sie. Etwas Großes, das sich uns näherte.
    Doch nein, halt, deswegen fiel der Sand nicht von den Mauern. Die Steine selbst bewegten sich. Sie schimmerten gülden, weil es Schuppen waren. Ja, genau so war es. Der Drache aus Stein, die Skulptur, aus der das Labyrinth geboren wurde, das war Zhang Kui. Der Dämonenfresser war das Labyrinth, ebenso wie das Labyrinth Zhang Kui war. Anfang und Ende, Yin und Yang, der ewige Lauf der Dinge, der Kreislauf des Lebens.
    Die Mitte der Welt.
    Der Drache der Mitte, er war hier, genau um uns herum.
    Mit schreckensstarren Augen sahen wir, wie sich das Labyrinth enger um uns schloss.
    Die Wände kamen näher, der Sand knirschte.
    Es war ein Drache.
    Er war riesig.
    Wie eine gefiederte Schlange aus Gold und Gelb war er, mit Schuppen, so funkelnd und glitzernd, als seien sie güldene Male für die Ewigkeit. Lange Barthaare schlängelten
sich vor seinem Maul, das hoch über uns schwebte. Sein Atem roch nach Minze und Myrrhe, seltsamerweise. Das tiefe Grollen kam aus dem massigen Leib, der uns umgab und keine Mauer mehr war.
    Der riesige Löwenkopf senkte sich zu uns, und er nahm Witterung auf.
    Die goldgelben Augen waren zu Schlitzen verengt.
    Als eines seiner Barthaare Scarlet berührte, wollte ich schreien, doch die Stimme versagte mir. Ich bekam keine Luft mehr, und dann öffnete der Drache Zhang Kui, der Lug und Trug erkannte, wenn er sie sah, das Maul.
    Die güldenen Augen wurden noch viel enger, und er fletschte die Zähne und fauchte wie eine riesengroße Katze aus Gold und Gelb. Eine gespaltene Zunge, die grün war, kam aus dem Schlund hervorgekrochen. Sie schoss auf Scarlet zu und wickelte sich ihr um den Leib.
    Dann zog der Drache die Zunge zurück, und Scarlet verschwand in seinem Rachen.
    Ich wollte schreien.
    Doch bevor die Schreie meinen Hals verlassen konnten, zuckte die Zunge erneut aus dem riesengroßen Maul, und ich sah, dass hinter dem Aufblitzen rotgelber Zähne nur tiefs te Finsternis zu finden war.

KAPITEL 5
    BERRY STREET, ECKE 9TH STREET
    »Mistress Atwood?«
    Ich öffnete die Augen. »Das sieht nett aus«, sagte ich und meinte die elegante Einrichtung im Inneren des Drachen. Sie entsprach einem britischen Salon aus der viktorianischen Ära, lauter altes Zeug, inklusive einer riesigen Standuhr, die just in dem Augenblick, als ich wieder zu mir kam, zehnmal schlug.
    »Möchtet Ihr Kaffee, Tee?« Der Fremde sah aus wie ein Gaukler aus dem Mittelalter. Er war hager, gekleidet in Purpurrot.

Weitere Kostenlose Bücher